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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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meinst du...«
    »Australien.«
    Terry und ich sahen uns erschrocken an.
    »Tja, mein Freund«, meinte Terry bedächtig, »das geht nun mal leider nicht.«
    »Ich weiß. Trotzdem, ich kehre nach Hause zurück.«
    Terry holte tief Luft und sprach ruhig und bedächtig auf Dad ein, als würde er seinen erwachsenen, aber geistig behinderten Sohn sanft dafür tadeln, das Haustier der Familie durch übertriebenes Knuddeln zu Tode gedrückt zu haben.
    »Marty. Weißt du, was in dem Moment, in dem das Flugzeug auf australischem Boden landet, passieren wird? Du würdest noch am Flughafen festgenommen werden.« Dad erwiderte nichts darauf. Er wusste, dass Terry recht hatte. Terry legte nach: »Willst du denn im Knast sterben? Denn genau das wird passieren, wenn du nach Hause fliegst.«
    »Nein, im Gefängnis will ich nicht sterben.«
    »Dann war das ja geklärt«, sagte Terry. »Du stirbst hier.«
    »Ich hab da eine andere Idee«, sagte Dad, und damit erlosch schlagartig jeder Hoffnungsschimmer. Ich wusste, dass ein netter, friedlicher Tod, gefolgt von einer gemütlichen Beerdigung und einer angemessenen Phase verhaltener Trauer kein Thema mehr war. Was immer uns auch bevorstand, es würde gefährlich, chaotisch und hektisch werden, und es würde mich an den Rand des Wahnsinns treiben.
    »Und, was schwebt dir da vor, Marty?«
    »Wir schleichen uns zurück nach Australien.«
    »Bitte?«
    »Mit dem Boot«, erklärte Dad. »Terry, ich weiß, dass du weißt, wo hier die Schlepperbanden sind.«
    »Das ist Wahnsinn!«, sagte ich. »Du willst dein Leben riskieren, nur um in Australien zu sterben? Du hasst Australien!«
    »Hör zu, ich weiß, dass das absolut verlogen ist. Aber das ist mir scheißegal. Ich hab Heimweh! Ich vermisse die Landschaft und ihren Geruch. Ich vermisse sogar meine Landsleute und deren Geruch!«
    »Überleg dir das genau«, sagte ich. »Deine letzte Tat wird im direkten Widerspruch zu allem stehen, was du je gedacht, gesagt und geglaubt hast.«
    »Ich weiß«, stimmte er fast fröhlich zu und schien sich nicht im Geringsten daran zu stören. Im Gegenteil, es schien ihn geradezu zu beleben. Er war aufgesprungen, schwankte ein wenig und blickte uns herausfordernd an, Einwände zu erheben, damit er sie abschmettern könnte.
    »Hast du mir nicht erzählt, Nationalismus sei eine Krankheit?«, fragte ich.
    »Und dazu stehe ich. Aber wie sich herausstellt, ist es eine Krankheit, die ich mir neben allem anderen auch noch zugezogen habe. Und ich sehe keinen Sinn darin, mich von einem kleineren Gebrechen zu kurieren, wenn ich eh an einem größeren sterben werde.«
    Darauf erwiderte ich nichts. Was hätte ich schon sagen können?
    Ich musste schwerere Kaliber auffahren. Zum Glück hatte Dad einen Koffer voller Bücher eingepackt, und ich fand genau das Zitat, das ich benötigte, in seiner ziemlich zerlesenen Ausgabe von Fromms Wege aus einer kranken Gesellschaft. Ich ging in sein Zimmer, doch er war auf der Toilette, daher musste ich es ihm durch die Badezimmertür vorlesen: »He, Dad: > Wer sich nicht aus den Bindungen an Blut und Boden gelöst hat, ist als menschliches Wesen noch nicht ganz geboren; seine Fähigkeit zu lieben und zu denken sind verkümmert, er erlebt weder sich selbst noch den Mitmenschen in seiner vollen menschlichen Realität. <«
    »Das macht nichts. Wenn ich sterbe, sterben meine Fehler und Schwächen mit mir. Verstehst du? Meine Fehler sterben auch.«
    Ich las weiter: »Der Nationalismus ist unsere Form des Inzests, unser Götzendienst und unser Irrsinn. Sein Kult ist der >Patriotismus<... Genauso wie die Liebe zu einem bestimmten Menschen, welche die Liebe zu anderen ausschließt, keine Liebe ist, so ist auch die Liebe zum eigenen Land, die die Liebe zur ganzen Menschheit nicht einschließt, keine Liebe, sondern Götzendienst.«
    »Na und?«
    »Und, du liebst die Menschheit doch nicht, oder?« »Nein. Eigentlich nicht.« »Tja, da hast du's!«
    Dad drückte die Klospülung und kam heraus, ohne sich die Hände gewaschen zu haben. »Du kannst mich nicht umstimmen, Jasper. So möchte ich es eben. Sterbende Menschen haben letzte Wünsche, auch wenn es die Lebenden stört. Und das ist nun mal meiner - ich möchte in meinem Heimatland den letzten Atemzug tun, im Kreise meiner Lieben.«
    Caroline, dachte ich. Es war offenkundig, dass Dad von einem Schmerz beherrscht war, der nie vergehen würde. Er hatte sich konditioniert, ständig auf der Hut zu sein, sich nur ja nicht wohlzufühlen, und diese Flucht

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