Vatermord und andere Familienvergnuegen
Galle zum Nachspülen trinken?
Ich wartete mit Terry auf dem Pier. Die Schlepper erschienen wie aus dem Nichts, alle trugen sie Kaki. Der Kapitän kletterte vom Boot herunter. Er war ein dünner Kerl mit müdem Gesicht, der sich unentwegt den Nacken rieb, als wäre der Aladins Wunderlampe. Er befahl uns, an Bord zu gehen.
»Wenn Dad nicht fährt, fahre ich auch nicht«, sagte ich, gewaltig erleichtert.
»Warte! Da kommt er.«
Verdammt, tatsächlich, da war er und kam den Hafendamm herunter auf uns zugewankt.
Irgendwer hat mal gesagt, mit fünfzig habe jeder das Gesicht, das er verdient. Tut mir leid, niemand, egal, wie alt er ist, verdient das Gesicht, das mein Vater hatte, als er auf uns zukam. Es sah aus, als hätte die Schwerkraft den Verstand verloren und zöge es gleichzeitig Richtung Erde und Richtung Mond.
»Ist es das? Ist das unser Boot? Das soll unser Scheißboot sein? Ist es wasserdicht? Wirkt ziemlich marode auf mich.«
»Genau das ist es.«
»Sieht aus, als könnte es nicht mal im All treiben.« »Find ich auch. Es ist noch nicht zu spät, diesen ganzen Plan sausen zu lassen.«
»Nein, nein. Wir ziehen das durch.« »Na gut.« Scheiße.
Die Sonne ging auf. Es war schon fast Morgen. Der Kapitän kam und drängte uns erneut, an Bord zu gehen. Terry legte ihm eine Hand auf die Schulter und quetschte sie wie eine Zitrone.
»Na schön. Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe: Wenn diese beiden Leute Australien nicht in einwandfreiem Zustand erreichen, bring ich dich um.«
»Und wenn er das nicht tut«, sagte mein Dad, »kommt mein Geist zurück und tritt dir in die Eier.«
»Also, das wäre abgemacht«, sagte Terry. »Hast du kapiert?«
Der Kapitän nickte gelangweilt. Drohungen schienen nichts Neues für ihn zu sein.
Terry und Dad standen einander gegenüber wie zwei Männer, die gleich miteinander ringen wollen. Dad versuchte zu lächeln, doch sein Gesicht verkraftete diese plötzliche Anstrengung nicht. Terry schnaufte ein wenig, als würde er eine Treppe erklimmen, und tätschelte Dad leicht den Arm.
»Tja, das war ja ein mordsmäßiges Wiedersehen, was?«
»Tut mir leid, dass das Sterben mich zu so einem Ekel macht«, sagte Dad. Sein Abschied wirkte linkisch; er legte sich die Hand auf den Kopf, als habe er Angst, er könne davonfliegen. Dann grinsten sie sich an. In diesem Grinsen lag ihr ganzes Leben: ihre Kindheit, ihre Abenteuer. Das Grinsen sagte: »Und, sind wir beide nicht zwei sehr eigenwillige und amüsante Geschöpfe geworden?«
»Finde du nur einen netten und friedlichen Tod«, sagte Terry, »und versuch, Jasper dabei nicht mitzunehmen.«
»Dem wird nichts passieren«, wiegelte Dad ab, wandte sich von seinem Bruder ab und bestieg das Boot, das sanft an den Pier schlug.
Terry packte mich bei den Schultern und strahlte mich an. Er duftete nach Koriander und Zitronengras und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Pass gut auf dich auf.«
»Was wirst du nun tun?«, fragte ich.
»Ich glaube, ich geh weg aus Thailand. Vielleicht nach Kurdistan oder Usbekistan, eins dieser Länder, die ich nicht buchstabieren kann. Die ganze Geschichte mit deinem Dad und Caroline hat mich ein bisschen aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich glaube, ich muss mich auf eine lange, anstrengende Reise machen. Mich umsehen. Ich hab das merkwürdige Gefühl, dass die Welt kurz davorsteht, in Flammen aufzugehen. Der Krieg hat schon begonnen, Jasper. Glaub es mir. Die Habenichtse sind dabei, sich zu organisieren, und den reichen Ländern stehen harte Zeiten bevor.«
Ich würde das so ähnlich sehen, sagte ich.
»Wirst du jemals wieder aus der Versenkung auftauchen und nach Australien zurückkehren?«
»Eines Tages werde ich zurückkommen und allen den größten Schreck ihres Lebens einjagen.«
»Komm schon, fahren wir nach Hause«, rief Dad vom Deck des Bootes aus.
Terry schaute zu Dad hinüber und hob einen Finger, als wolle er sagen, noch eine Minute. »Bevor du gehst, Jasper, würde ich dir noch gerne ein, zwei Ratschläge geben.«
»Leg los.«
»Nachdem ich dich die vergangenen Monate über beobachtet habe, ist mir klar geworden, was du dir am sehnlichsten wünschst. Du willst nicht so werden wie dein Vater.«
Nun, das war nicht gerade ein Geheimnis, nicht einmal vor Dad.
»Inzwischen weißt du es ja wahrscheinlich selbst: Hat man mutige Gedanken, überquert man stark befahrene Straßen, ohne nach links und rechts zu gucken; hat man sadistische Gedanken, dann zieht man jedes Mal den Stuhl weg, wenn
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