Vatermord und andere Familienvergnuegen
basisdemokratische Kooperative des Verbrechens könnte ein einzigartiges Geschenk an die Welt sein, aber nun ist mir klar, dass sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Es hätte nie funktioniert. Gegen die menschliche Natur kommt man nicht an. Die Menschen glauben, sie brauchten das Rampenlicht, um zu gedeihen. Die Anonymität kann niemand ertragen. Hier also Plan B, an dem ich schon seit zehn Jahren arbeite. Es ist etwas, das bislang noch nie jemand gemacht hat. Niemand ist je auf so etwas gekommen. Das wird mein Vermächtnis werden. Das hier, Marty. Aber ich brauche Unterstützung. Ich kann das nicht alleine schaffen. Und hier kommst du ins Spiel.«
Er rammte mir den Papierstapel gegen die Brust.
»Was ist das?«
»Das, mein Junge, ist mein Opus magnum, die Summe meines Lebens. Ein Handbuch für Verbrecher! Mein ganzes Wissen hab ich aufgeschrieben. Das wird ein richtiges Buch! Ein Leitfaden! Ich habe einen Leitfaden für Verbrechen geschrieben! Das ultimative Standardwerk!«
Ich nahm den Stoß handbeschriebener Seiten und zog willkürlich eine heraus.
Kidnapping
Wenn die Medien Wind von der Sache kriegen, steckst du in ernsten Schwierigkeiten, wenn du dein Opfer nicht klug gewählt hast. Entführe nie jemanden, der jung und attraktiv ist.
Das Letzte, was ein Kidnapper gebrauchen kann, ist ein öffentlicher Aufschrei der Empörung... Finde einen geeigneten Ort, dein Opfer zu verstecken... Widersteh der Versuchung, ein Motel- oder Hotelzimmer zu wählen, dem Opfer könnte es gelingen, den Zimmerservice zu rufen oder frische Handtücher zu bestellen.
»Wie du siehst, Marty, müssen diese Stichpunkte noch näher ausgeführt und richtig in Kapitel unterteilt werden...« Ich zog eine andere Seite hervor.
Nichts anbrennen lassen: Brandstiftung für jedermann
Jeder sieht gerne zu, wie es brennt, auch du. Gib dieser Versuchung niemals nach! Wenn du ein Gebäude in Brand gesteckt hast, darfst du nicht an der nächsten Ecke herumlungern, um die Flammen zu bewundern... Das ist ein weitverbreiteter Fehler... Die meisten Brandstifter sind unmittelbar in der Nähe des Tatorts gefasst worden, und die Polizei hält immer Ausschau nach zwielichtigen Gestalten, die zu anderen Gaffern sagen: »Ganz schönes Feuerchen, was?«
Er hatte sein Meisterwerk auf alle möglichen Arten von Altpapier geschrieben, auf die Rückseite von Rezepten, auf Servietten, Papierhandtücher, Zeitungen, Klopapier und Hunderte von Ringbuchseiten. Es gab Gebrauchsanweisungen, Diagramme, allgemeine Gedanken und Überlegungen, Maximen und Aphorismen zu jedem erdenklichen Aspekt der Berufskriminalität. Jeder Gedanke war mit einer unterstrichenen Überschrift versehen, dem einzigen Anhaltspunkt dafür, wie man Ordnung in dieses Chaos bringen könnte.
Einbruch
Brich nie in ein Haus ein, wenn du nicht sicher bist, ob der Bewohner vielleicht nur kurz raus ist, um die Milch reinzuholen... Trödele nicht herum... Halte dich nicht damit auf, in den Bücherregalen zu stöbern...
»Natürlich gibt es bereits unzählige Bücher zum Thema Kriminalität, aber das sind entweder soziologische Studien oder Hilfestellungen für Kriminologen oder die Polizei, kurz gesagt: zur Verbrechensbekämpfung. Noch nie hat es ein Buch gegeben, das ein Krimineller für Kriminelle geschrieben hat.« Harry nahm mir den Papierstoß ab und stopfte ihn in eine braune Mappe, die er wie ein Baby im Arm hielt. »Ich vertraue dir das an.«
Ich nahm die Mappe. Sie war schwer, das ganze Gewicht von Harrys Leben.
»Ich mach das nicht wegen Geld, deswegen sag ich von vornherein, wir teilen uns den Gewinn fifty-fifty.«
»Harry, ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das will.«
»Wen interessiert's, was du willst? Ich habe ein ungeheures Wissen zu vermitteln! Und das muss ich der Welt mitteilen, bevor ich sterbe! Sonst wäre mein Leben sinnlos gewesen! Wenn es das Geld ist, woran du denkst, dann vergiss das mit den fünfzig Prozent. Behalt alles! Ist mir egal! Ehrlich. Pass auf, hier.«
Harry rannte zum Bett, packte ein Kissen und schüttelte es, bis Banknoten daraus zu Boden fielen. Dann hüpfte er auf seinem gesunden Bein durchs Zimmer und sammelte die verstreuten Scheine ein.
»Du willst Kohle? Du willst mir das letzte Hemd vom Leib reißen? Das Herz aus meiner Brust? Brauchst es nur zu sagen, und du kannst es haben. Aber um Himmels willen hilf mir! Hilf mir! Hilf mir!« Er hielt mir das Geld unter die Nase. Wie konnte ich da Nein sagen? Ich nahm das
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