Vatermord und andere Familienvergnuegen
Nächte. Aber draußen auf der Veranda eines Hauses zu sitzen, in dem eine Frau schläft, die nicht von dir träumt, das ist lahmarschig und einfach nur armselig.
Ich wartete darauf, dass Caroline aufwachen, auf die Veranda kommen und mich in die Arme nehmen würde. Ich dachte, die Kraft meiner Gedanken wäre stark genug, sie aus dem Schlaf zu wecken und ans Fenster zu holen. Ich würde ihr von meinen Ideen erzählen, und sie würde endlich erkennen, wer ich wirklich war. Ich dachte, ich sei so gut wie mein Verstand, und beides würde sie umhauen; ich hatte meinen Körper und mein Gesicht ganz vergessen, und beide waren nicht berauschend. Ich trat an eins der Fenster, betrachtete mein Spiegelbild und änderte meine Meinung. Dann drehte ich mich um und ging zurück nach Hause.
Das war mein Erwachen, Jasper! Harry, armer Harry, er war ungeheuer wichtig für mich: ein ungezügelter Geist. Bevor ich ihn traf, hatte ich nur Menschen gekannt, deren Denken entsetzlich blockiert war. Die Freiheit von Harrys Denken war so anregend - nur sich selbst verpflichtet und völlig autonom. Noch nie zuvor war mir jemand begegnet, auf dessen Denken weder der Zeitgeist noch irgendwelche äußeren Umstände auch nur den geringsten Einfluss hatten.
Ich ging nach Hause und stöberte erneut in Harrys Aufzeichnungen. Sie waren unfassbar albern! Dieses Buch, sein Handbuch für Kriminelle, war ein Irrweg. Es sollte nicht existieren. Es konnte nicht existieren. Deswegen musste ich ihm bei dieser schweren Geburt helfen. Ich musste einfach! Ich unterteilte das Buch in zwei große Blöcke: Verbrechen und Strafe. Dann unterteilte ich diese beiden Blöcke in Kapitel, legte einen Index an und fügte Fußnoten hinzu, ganz wie in einem ordentlichen Lehrbuch. Ich hielt mich absolut gewissenhaft an Harrys Text. Gelegentlich stieß ich beim Abtippen auf eine Passage, über die ich vor Lachen platzte. Es war wunderbar! Seine Sprüche waren grandios. Sie bohrten sich mir förmlich ins Gehirn.
Über Haus- und Wohnungseinbrüche
Wenn du erst mal drin bist, geh schnell und methodisch vor. Trag Handschuhe und behalt sie an. Zieh sie unter keinen Umständen aus. Du wirst überrascht sein, wie viele Einbrecher sich die Handschuhe ausziehen, um in der Nase zu bohren. Ich kann nicht nachdrücklich genug daraufhinweisen: nirgendwo Fingerabdrücke hinterlassen! Nicht mal in deiner Nase!
Ich tippte alles ab, Wort für Wort. Ich ließ nichts aus, haute das ganze Ding ohne Schlafpause runter. Ich stand unter Strom, und ich konnte ihn nicht ausschalten. Hier noch eine Passage, die sich mir eingeprägt hat:
Über Bestechung
Eine gebräuchliche Technik, einen Vertreter des Gesetzes zu bestechen, besteht darin, das Geld vor ihm auf den Boden fallen zu lassen und dann ganz beiläufig zu sagen: »Ich glaub, Sie haben da was verloren.« Das ist nicht unriskant, denn der Beamte könnte sagen: »O ja, besten Dank«, und dich festnehmen, nachdem er sich das Geld eingesteckt hat. Keine Art der Bestechung garantiert den Erfolg, aber ich empfehle, freiheraus zu fragen: »Sind Sie bestechlich?« Wenn er es nicht ist und dich dann wegen Bestechungsversuches belangen will, kannst du dich immer noch damit herausreden, dass du ihm gar kein Geld angeboten hast. Hast du ja auch nicht - du wolltest nur etwas über die Rechtschaffenheit des Menschen erfahren, der dich festnimmt, und nach Anzeichen von Heuchelei suchen.
Harrys Logik war unfehlbar. Schon die Kapitelüberschriften versetzten mich in Entzücken:
Verbrechen ohne Motiv: Warum?
Bewaffneter Raubüberfall: Was haben wir gelacht
Verbrechen und Mode: Skimasken haben immer Saison
Die Polizei und du: Wie man einen bestechlichen Bullen an
seinen Schuhen erkennt
In dem Kapitel »Taschendiebstahl: Ein intimes Verbrechen« stand der Satz: »Wenn man einen Reißverschluss aufmachen muss, ist es keine Hosentasche. Finger weg, aber sofort!« Kann man da widersprechen? Kann man nicht. Ich erinnere mich noch an ein paar weitere Kapitelüberschriften:
Tätlicher Angriff: Triff deine Feinde dort, wo's wehtut Aber, aber: Das Verzinken von Freunden Totschlag: Hoppla, die Schädeldecke! Absetzen vom Tatort: Immer mit der Ruhe Liebe: Die Fahrkarte in den Bau
Verbrechen aus Leidenschaft: Heißes Blut und kalter Stahl Perverse Verbrechen: Nur für Liebende
Es war eine erschöpfende Abhandlung. Er hatte nichts ausgelassen. Kein Delikt war zu unbedeutend, um nicht in Kapitel dreizehn aufgenommen zu werden:
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