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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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heraus, wer diese Mittel kaufte und verabreichte: die Trainer. Männer, die unermüdlich hinter den Kulissen tätig gewesen waren, traten nun aus dem Hintergrund in den Vordergrund; ihre kantigen Unterkiefer und hageren Gesichter tauchten immer häufiger in den Zeitungen auf, als sie einer nach dem anderen tot aufgefunden wurden.
    Aber das Gefährlichste an Terrys Kreuzzug war, dass die Buchmacher verständlicherweise nicht sang- und klanglos dahinschieden. Ihre Verbindungen zur Unterwelt sicherten ihnen Waffen und Protektion, und die Medien berichteten von Schießereien in Hinterzimmern von Restaurants und Kneipen. Nun hatte Terry auch mit der letzten von Harrys Regeln gebrochen - nicht allein, dass er das Gegenteil von anonym geworden war, er hatte sich auch den Zorn der Unterwelt zugezogen. Er stand nicht bloß auf der kriminellen Karriereleiter, er rüttelte zugleich auch daran. Genau wie die Staats- und Bundespolizei wollte ihn nun auch der kriminelle Überbau tot sehen.
    Meine Eltern gingen mit der Situation recht eigen um. Statt sich der schrecklichen Wahrheit zu stellen, schmückten sie das Trugbild ihres Sohnes sogar noch aus. Während meine Mutter hartnäckig an ihrer Doppelgängertheorie festhielt, gewann mein Vater dem ganzen Elend noch etwas Positives ab und erhob das Schönreden zu einer Kunstform. Wenn Terry einem Polizisten ins Bein schoss, pries mein Vater Terrys Barmherzigkeit, denn er hätte ihm ja auch ins Herz schießen können. Schoss Terry einem Polizisten ins Herz, pries mein Vater seine Treffsicherheit. Dass sein Sohn die Polizei zum Narren halten konnte, war für ihn der reine Beweis seiner Intelligenz, seiner Geschicklichkeit und generellen Überlegenheit.
    Lionel Potts rief mich fünfmal am Tag an und bat mich, zu ihm zu kommen und ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Er nahm seine Sonnenbrille ab, und ich musste ihm jeden einzelnen Zeitungsartikel über Terry vorlesen. Seine toten Augen schienen in weite Ferne zu blicken, dann lehnte er sich zurück und schüttelte heftig den Kopf. »Ich kenne da einen ausgezeichneten Rechtsanwalt - der würde Terry verteidigen. Es tut mir richtig leid, dass ich ihn nicht schon letztes Mal empfohlen habe. Ich war ein bisschen sauer. Schließlich bin ich ja seinetwegen blind. Trotzdem, dieser Anwalt wäre genau der richtige für ihn.« Ich saß da, während Lionel redete und redete, und knirschte mit den Zähnen. Ich konnte das nicht mehr hören. So verrückt es klingen mag, Neid stieg in mir hoch. Terry machte etwas aus seinem Leben. Er hatte seine Berufung gefunden; so wahnsinnig und blutrünstig sie auch sein mochte, es war immerhin eine Aufgabe, und er erfüllte sie mit großer Umsicht.
    Jeden Morgen rannte ich zum Zeitungsladen an der Ecke, um das Neueste über seine Gräueltaten zu lesen. Nicht alle seine Opfer waren tot. Dem Snooker-Spieler, der die weiße Kugel angeblich mit Absicht nach der schwarzen versenkt hatte, brach er die rechte Hand, doch seltsamerweise unterstützte der, genau wie andere Opfer, Terrys Kreuzzug auch noch. In emotionsgeladenen öffentlichen Geständnissen bereuten sie ihre Sünden und erklärten, Terry Dean räume lediglich in einer Institution auf, die dereinst unverdorben und rein gewesen, dann aber den Lockungen des großen Gelds erlegen sei. Und sie standen damit nicht allein.
    Sportler, Kommentatoren, Intellektuelle, Fernseh- und Radiomoderatoren, Schriftsteller, Professoren und Politiker - sie alle diskutierten über die ethischen Grundsätze im Sport, über Ideale, Idole und den wahren australischen Geist. Terry hatte eine landesweite Diskussion losgetreten, und sämtliche Sportler und Sportlerinnen zeigten sich von ihrer besten Seite.
     
    Inmitten dieses Chaos kehrte eines Tages Caroline, einen Koffer hinter sich herzerrend, in unser Städtchen zurück. Ich saß gerade auf den Rathausstufen und zählte die Rillen auf meinem Zeige-Anger, als ich sie die Straße entlangkommen sah. Sie entdeckte mich, rannte mitsamt Koffer los, warf ihre Arme um mich und bedeckte meine Wangen mit platonischen Küssen. Da wusste ich, dass der Abend in ihrem Schlafzimmer zwischen uns nie wieder zu Sprache kommen würde. Ich sah sie mir genau an. Sie war wirklich zu einer richtigen Frau gereift, aber es gab auch irritierende Veränderungen: Ihr Haar war heller, fast blond, und obwohl ihr Gesicht voller und ihre Unterlippe reifer war, schien ihr doch etwas abhandengekommen zu sein, ein Strahlen oder inneres Leuchten. Vielleicht, dachte

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