Vatermord und andere Familienvergnuegen
Seine Unsterblichkeit!
Die nächsten Wochen vergingen wie im Rausch. Was für aufregende Zeiten! Ich war praktisch jeden Tag bei Stanley im Büro. Wir machten alles gemeinsam: Wir suchten die Schrifttype aus, wir stellten die Kapitel um. Er bat mich, den mysteriösen Autor zu bitten, ein Vorwort zu schreiben, und Harry ging sofort ans Werk. Er schrieb Tag und Nacht, zeigte es mir aber nicht. Stanley hatte alles verkauft, was er besaß, um den Drucker zu bezahlen.
»Sie werden nicht wissen, wie Ihnen geschieht«, sagte er unentwegt. »Es wird einen Aufstand geben, wenn das Buch in die Läden kommt. Dann wird es auf den Index gesetzt werden. Kostenlose Publicity! Es geht doch nichts über Zensur, um die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben! Das wird einen moralischen Aufschrei provozieren! Heimlich werden Exemplare von Hand zu Hand weitergereicht werden. Das Buch wird im Verborgenen wachsen und gedeihen wie Pilze im feuchten Dunkel! Dann eine vereinzelte Stimme, jemand sagt: >Aber hallo! Das ist genial!<, und andere, die vorher angewidert den Kopf geschüttelt haben, werden zustimmend nicken! Mag sein, dass unser Fürsprecher kein Wort von dem glaubt, was er sagt, aber das kann uns egal sein. Zum Glück gibt es immer Kritiker, die kontroverser Meinung sein müssen. Sagt die breite Mehrheit: >Liebe deinen Nächsten<, schreien sie: >Nein, scheißt auf diese Ratten!<«
Jeden Tag schwelgte Stanley vor sich hin. Immer die gleiche Litanei. Er prophezeite Harrys Buch eine große Zukunft, drängte mich aber auch unentwegt, den Namen des Autors preiszugeben. »Kommt nicht infrage«, ich blieb standhaft. »An dem Tag, an dem es in Druck geht, wird alles aufgedeckt.« Stanley raufte sich die Haare. Er tat, was er konnte, um mir den Namen zu entlocken. »Ich riskiere hier Kopf und Kragen, Marty - was weiß ich, er könnte ja ein Pädophiler sein! Ein Skandal ist die eine Sache, davor hab ich keine Angst, aber keiner wird das Buch anrühren, wenn der Autor Kinder betatscht hat.«
Ich gab ihm mein Ehrenwort, dass Harry nur ein ganz normaler, rechtschaffener Raubmörder war.
Eines Tages kam Stanleys Frau vorbei, um zu sehen, was er so trieb. Sie war eine dünne, attraktive Person mit einer spitzen Nase, die nicht unbedingt wie gemeißelt aussah, sondern eher wie auf dem Schleifstein geschärft. Sie strich im Büro herum und versuchte, einen Blick in das Manuskript auf dem Schreibtisch zu werfen, doch Stanley warf schnell eine Zeitung darüber.
»Was willst du, Weib?«
»Du hast doch irgendwas vor.«
Er antwortete nicht, sondern schenkte ihr ein Lächeln, das irgendwie besagte: »Kann schon sein, du hundsgemeines Luder, aber dich geht das einen Scheißdreck an.«
Sie musterte mich. »Sie kenne ich doch von irgendwoher.«
»Das glaube ich nicht.«
»Haben Sie mich mal im Zug um Geld angeschnorrt?«
Ich sagte, ich hätte noch nie jemanden in einem Zug um Geld angeschnorrt, was nicht stimmte, denn einmal habe ich tatsächlich jemanden im Zug angeschnorrt.
»Okay, Besuchszeit ist um«, sagte Stanley, packte sie bei den Schultern und schob sie aus dem Büro.
»Okay, okay! Ich bin nur vorbeigekommen, weil ich die Scheidung will!«
»Jederzeit und gern. Aber noch viel lieber würde ich Witwer sein.«
»Halt die Klappe und verreck, Drecksack!«
Kaum war sie auf dem Flur, knallte er die Tür zu und sagte zu mir: »Hol einen Schlosser. Wir müssen die Schlösser auswechseln lassen, und dann zurück ans Werk.«
Stanley hatte Harry ein paar kleine Hausaufgaben zugeteilt. Die erste betraf den Titel, und Harry hatte mir eine Liste mit Vorschlägen gegeben. Ich setzte mich hin und sah sie durch. Handbuch für Kriminelle, Handbuch für angehende Kriminelle, Das Handbuch des Verbrechens für jugendliche Straftäter und unsere Jüngsten, Verbrechen leicht gemacht, Das Einmaleins des Verbrechens, Verbrechen von A-Z, Delinquenz für Dummköpfe... So ging die Liste weiter.
Dann folgte das Problem des Vorworts. Harry hatte mir seinen ersten Entwurf gegeben und mich gebeten, ihn ohne Änderungen an Stanley weiterzuleiten. Ich hätte sowieso nichts daran retten können, selbst wenn ich gewollt hätte. Es war der Erguss eines Mannes am Rande des Wahnsinns, und er lautete wie folgt:
Es gibt Menschen, die auf die Welt kommen, um Gesetze zu machen, die den Willen der Menschen brechen sollen. Dann gibt es die, die hier sind, um sich den Willen von denen brechen zu lassen, die hier sind, um ihn zu brechen. Dann gibt es Männer,
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