Vatermord und andere Familienvergnuegen
meinem Vater die Freude an der Gewalt mitgegeben hat, damit er sie an mich weitergeben kann. Ich habe keine Kinder, daher muss ich sie an Freunde und zufällige Weggefährten weitergeben. Ich möchte ferner dem Justizsystem von New South Wales danken, das mir einen Sinn für Ungerechtigkeit vermittelt hat, der Polizei von New South Wales für ihre unermüdliche Brutalität und die stete Bereitschaft zur Korruption, der Gewaltdarstellung im Film, die meine Opfer so desensibilisiert hat, dass sie länger durchhalten, meinen Opfern dafür, dass sie unterlegen sind, meinen Feinden, die mir gezeigt haben, dass es nicht unehrenhaft ist, eine Kugel in den Oberschenkel zu bekommen, und nicht zuletzt meinem Lektor, Freund und Gefährten in der Isolation, Martin Dean.
»Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Namen da drin haben möchten?«, fragte mich Stanley.
»Warum nicht?«, antwortete ich, mich dumm stellend, denn ich kannte die Antwort sehr wohl. Ich bekannte mich damit eines Verbrechens schuldig: Ich versteckte einen gesuchten Verbrecher und gab auch noch sein Opus heraus. »Ich glaub schon«, sagte ich.
»Überlegen Sie es sich lieber noch mal.«
Ich überlegte noch mal. Beging ich damit einen Fehler? Es war klar, dass keinerlei Grund bestand, meine Beteiligung überhaupt zu erwähnen. Aber das Buch war ja auch mein Werk. Ich hatte mich krummgelegt, um dieses Buch auf den Weg zu bringen, und ich wollte, dass die Welt es erfuhr.
»Ja, lassen Sie ihn drin.«
»Na schön, dann wären wir ja so weit. Ich bring das jetzt zur Druckerei. Kann ich anschließend den Autor kennenlernen?« »Ich glaube, das ist im Moment keine gute Idee.« »Wieso?«
»Ihm geht's zurzeit nicht besonders. Er ist ein bisschen... angespannt. Vielleicht wenn das Buch in den Läden ist. Wann wird das denn eigentlich sein?«
»In drei Wochen.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles wahr ist.«
»Da können Sie Ihren Arsch drauf verwetten«, sagte Stanley, und kurz bevor er das Büro verließ, drehte er sich noch mal mit einem seltsamen, träumerischen Gesichtsausdruck zu mir um und sagte: »Richten Sie Harry aus, dass ich ihn für ein Genie halte.«
Ich sagte, das würde ich tun.
»Was hat er gesagt, als du ihm meinen Namen verraten hast? Was hat er da für ein Gesicht gemacht? Erzähl mir alles, bis ins kleinste Detail«, begrüßte mich Harry atemlos von der Haustür aus, als ich die Auffahrt hochkam.
»Er war beeindruckt«, log ich. »Er hat viel von dir gehört.«
»Na klar hat er von mir gehört. Ein Mann mordet nicht konsequent fünfzig Jahre lang, ohne sich einen Namen zu machen. Und wann ist das Buch in den Läden?«
»In drei Wochen.«
»In drei Wochen! Scheiße, nee!«
Ab jetzt konnten wir nur noch warten. Es war alles getan. Ich empfand diese Mischung aus Befriedigung und Ernüchterung, die sich einstellt, wenn eine Aufgabe vollbracht ist. Nun wusste ich, wie sich die ägyptischen Sklaven gefühlt haben müssen, nachdem der Schlussstein auf die Pyramide von Giseh gesetzt war und alle herumstanden und darauf warteten, dass der Zement trocknete. Außerdem verspürte ich eine innere Unruhe. Es war das zweite Mal nach der Sache mit der Vorschlagsbox, dass ich in meinem Leben an etwas Maßgeblichem mitgewirkt hatte; aber was zum Henker sollte ich jetzt anfangen? Ich wusste nicht, wohin mit dem Ehrgeiz, der in meiner Brust aufstieg. Und das war ärgerlich.
Nach ein paar Stunden, in denen wir uns im schnellen Wechsel gigantischen Erfolg und schmähliche Blamage ausmalten, schleppte ich mich nach Hause, um nach meiner Mutter zu sehen. Die Chemotherapie und regelmäßige Beschießung mit Radioaktivität hatten sie in einen Zustand permanenter Erschöpfung versetzt. Sie hatte Gewicht und viel Haar verloren und tastete sich an den Wänden entlang, wenn sie sich durchs Haus bewegte. Es war unübersehbar, dass der Körper, den sie bewohnte, in Kürze unbewohnbar sein würde. Die einzige angenehme Überraschung war mein Vater: Er hatte sich tatsächlich doch noch als menschliches Wesen entpuppt und sogar als ein recht nettes. Er war jetzt herzlich gegenüber meiner Mutter, liebevoll und hilfsbereit, und das wesentlich tiefer und engagierter, als sie oder ich es ihm je zugetraut hätten. Musste ich also immer noch dauernd dort rumhängen? Nachdem ich nun einmal draußen in der Welt gewesen war, sträubte sich jede Faser meines Seins gegen die Vorstellung, auch nur noch eine weitere Sekunde in diesem elenden Kaff zu vergeuden.
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