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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Menschenmögliche, um diese Sportler umzubringen, aber tat ich wirklich alles Menschenmögliche für dieses Buch? An mir begann der Zweifel zu nagen, ich hätte vielleicht nicht das Zeug dazu, das volle Programm durchzuziehen, mit letzter Aufopferung einen Weg einzuschlagen, auf dem es keine Möglichkeit zur Umkehr gab. Terry legte bei der Verfolgung seines Ziels totale Rücksichtslosigkeit und Hartnäckigkeit an den Tag: Ich musste meinen Weg mit der gleichen rücksichtslosen Hartnäckigkeit verfolgen, wenn ich nicht bloß als ein weiterer zimperlicher, nutzloser Heuchler dastehen wollte, nicht bereit dazu, für seine Sache aufs Ganze zu gehen.
    Ich traf eine epochale Entscheidung.
    Wenn der nächste Verleger das Buch auch ablehnte, würde ich seine Entscheidung einfach nicht akzeptieren. Ich würde seine Ablehnung ablehnen. Ich würde ein Nein nicht gelten lassen. Ich würde ein Niemals nicht gelten lassen. Ich würde auf der Veröffentlichung bestehen, und falls dies bedeutete, ihn als Geisel zu nehmen, bis das Buch in den Läden war, dann sollte es eben so sein. Mir eine Waffe zu besorgen, dürfte kein Problem sein. Ich müsste bei Harry nur irgendeinen Schrank aufmachen oder die Hand tief genug in den Zuckerpott stecken, um eine Halbautomatik zu finden. Natürlich lehnte ich Waffen und alles, was damit zusammenhing, ab, Schussverletzungen und Tod beispielsweise, andererseits reizte mich auch die Vorstellung, ein weiteres der Zehn Gebote zu brechen, nachdem ich schon meinen Vater nicht ehrte. Man konnte ja wohl kaum dazu verdammt werden, zwei Ewigkeiten in der Hölle zu schmoren.
    Bevor ich an jenem Abend nach Hause ging, Harry war von Wodka und Schlaftabletten ausgeknockt, versenkte ich meine Hand tief im Zuckertopf. Die Pistole, mit der sie wieder herauskam, war von klebrigen Zuckerkristallen überzogen. Ich strich den Zucker über einer Tasse Tee ab und trank sie aus. Ich konnte die Waffe schmecken.
    Am nächsten Tag verließ ich noch im Dunkeln das Haus. Terry hatte seit mindestens einer Woche nicht mal für ein Tuscheln in der Welt gesorgt, daher kampierten keine Reporter mehr in unserem Hof, nur ihre Zigarettenstummel lagen taufeucht herum. Ich fuhr mit dem Bus in die Stadt. Das Bürogebäude des nächsten Verlags auf meiner Liste lag gegenüber dem Hauptbahnhof. Bevor ich hineinging, studierte ich für den Fall eines überstürzten Rückzugs den Zugfahrplan. Wenn ich bezüglich des Ziels nicht allzu wählerisch war, konnte ich alle drei Minuten einen Zug erwischen. Ich kaufte einen ganzen Stoß Fahrscheine für Fahrten in alle Himmelsrichtungen.
    In der Lobby hing eine verglaste Wandtafel, auf der alle Firmen im Gebäude aufgeführt waren. Da, im vierten Stock, war der
    Name meiner letzten Hoffnung. Strangeways Publicati ns. Das »o« fehlte. Warum, konnte man sich leicht denken. Im sechsten Stock gab es eine Firma namens Voodoo Cooperative Clothing, während im dritten eine Firma untergebracht war, die sich Ooooops! Fleckentfernung GmbH nannte.
    Ich fuhr mit dem Aufzug in den vierten Stock. Am Ende des Flurs war ein Waschraum. Ich ging hinein, hängte meinen Kopf gute zwanzig Minuten lang über die Kloschüssel und plante mein weiteres Vorgehen, bevor ich wieder auf den Flur trat und zur Tür von Strangeways Publications ging. Bevor ich klopfte, griff ich in meine Tasche. Die Waffe war noch da, aber der Zucker war weg. Sie hatte nichts Süßes mehr an sich.
    Ich klopfte. Eine Stimme sagte: »Herein.«
    Ein Mann saß hinter einem Schreibtisch und las. Ohne aufzublicken, bedeutete er mir, Platz zu nehmen. Ich war zu aufgeregt, um mich zu setzen. Meine Knie wollten sich nicht beugen lassen. Sie versteiften sich. Ich sah mich im Büro um. Es war kaum größer als eine Abstellkammer und sah aus wie ein Schweinestall. Zeitungen stapelten sich vom Fußboden bis zur Decke. Ein Haufen Kleider und ein brauner Koffer lagen in einer Ecke. Das Fenster war geschlossen, und die Luft war zum Schneiden. Der Verleger war Mitte vierzig; er stellte sich mir als Stanley vor. Was immer er da las, es brachte ihn zum Grinsen wie einen senilen Lustmolch. Auf dem Schreibtisch lag eine Zahnbürste, daneben stand eine Schüssel mit grünlichem Wasser. Beim Anblick der Zahnbürste wurde mir übel. Ein Haar steckte darin.
    Er blickte auf und fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
    Ich griff in meine Tasche, spürte die Waffe und zog das Manuskript hervor. Ich ließ es auf seinen Schreibtisch fallen und legte los wie üblich. Der

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