Vatermord und andere Familienvergnuegen
meines Sohnes haben, aber mich legen Sie nicht herein!«
»Terry, gib doch auf!«, rief ich.
»Warum?«
»Sonst erschießen sie dich!«
»Na und? Pass auf, Junge, das Einzige, was mich stört, ist, dass die ganze Szenerie hier langsam langweilig wird. Wart mal nen Augenblick.«
Innerhalb des menschlichen Schutzschilds entstand wildes Getuschel. Plötzlich begann es, sich zu bewegen. Terry und seine Geiseln rückten langsam zum Bowling-Rack vor, dann wieder zurück auf die Bahn. Und los ging's! Eine Kugel rollte mitten auf der Bahn. Terry bowlte! Die Augen der Polizisten verfolgten den Lauf der Kugel. Es herrschte ein derart tiefes Schweigen, dass es fast ans Religiöse grenzte. Ein Strike! Terry hatte es geschafft! Alle zehn Pins waren gefallen! Die Leute johlten wie aus einer Kehle und erinnerten mich daran, dass der Mensch schon in der Einzahl oft blöd ist, aber im Rudel absolut kretinös. Mochten sie auch Polizisten sein, die gerade eine Hätz hinter sich hatten, so waren sie doch sportvernarrte Australier - und nichts lässt das Herz schneller schlagen als ein Sieg, egal, wie blutrünstig der Sieger ist.
Im selben Moment, in dem die Bowlingkugel die Pins traf, traf auch Terry eine Kugel. Die Bowlingkugel war als Ablenkung gedacht, mit der Terry von seiner anvisierten Flucht ablenken wollte, aber nicht alle Polizisten sind doof oder Bowlingfans.
Terry lag blutend auf der Bahn und fluchte: »Mein Knöchel! Schon wieder in den Knöchel! Genau dieselbe Stelle, ihr Dreckskerle! Wie soll das je wieder verheilen?« Er lag da und wurde von gut vierzig Polizisten überwältigt, die alle darum wetteiferten, ihn hinaus ins Blitzlichtgewitter der Paparazzi führen zu dürfen, um sich so ihren eigenen kleinen Anteil an Unsterblichkeit zu sichern.
LEBE WOHL
Ich bin weder in Linguistik noch in Etymologie beschlagen, daher habe ich keine Ahnung, ob das Wort »Banane« wirklich die bestmögliche Kombination von Silben ist, um eine lange, gelbe, gekrümmte Frucht zu bezeichnen, aber ich kann doch so viel sagen, dass, wer auch immer die Bezeichnung »Medienzirkus« geprägt hat, wusste, wovon er sprach. Es existiert einfach keine bessere Bezeichnung für einen Haufen Journalisten, die sich um Statements und Fotos prügeln, auch wenn »Medienprimaten«, »tobender Medienmob« oder »Explosion einer Mediensupernova« genauso passen würden. Vor dem Gericht, in dem Terrys Prozess stattfand, warteten Hunderte von ihnen - rempelnde, schubsende und höhnisch lachende Pressevertreter beiderlei Geschlechts, die durch ihr abstoßendes Benehmen im Namen des öffentlichen Interesses die ganze menschliche Rasse in Misskredit brachten.
Im Gerichtssaal gab es nur Stehplätze. Da Terry keine der Anschuldigungen abstritt, war es eher ein kurzer Prozess als eine richtige Verhandlung, und der ihm gestellte Pflichtverteidiger war eher dazu da, Terry durchs Dickicht der Bürokratie zu schleusen, als ihm tatsächlich vor Gericht beizustehen. Terry verteidigte sich nicht. Er gab alles zu; was blieb ihm übrig - das war es schließlich, was ihm seine traurige Berühmtheit eingebracht hatte. Abzustreiten, was er sich vorgenommen hatte, wäre so gewesen, als hätten die Kreuzritter behauptet, ihr Zug gegen die islamische Welt sei lediglich ein ausgedehnter Spaziergang gewesen.
Terry saß in herausfordernder Pose neben seinem Anwalt, und als der Richter zur Urteilsbegründung kam, rieb er sich vergnügt die Hände, als werde er gleich zu zwei Portionen Vanilleeis verurteilt. Mit dem sonoren Timbre eines nicht mehr ganz jungen Schauspielers, der seine erste und letzte Chance wahrnimmt, Hamlets Monolog zu sprechen, trug die Stimme des Richters bis in die hinterste Zuschauerreihe: »Ich verurteile Sie zu lebenslanger Haft.« Es war eine bravouröse Vorstellung. Sofort setzte das übliche Gemurmel ein, das auf einen Urteilsspruch folgt, auch wenn es nur der Show wegen geschah. Überrascht war niemand. Anders hätte es gar nicht ausgehen können. Was allerdings überraschte - obwohl man annehmen sollte, ich hätte mich an den Geschmack der ironischen Schlückchen gewöhnt, die die kosmische Saftpresse herausquetscht -, war die Tatsache, dass das Gefängnis, in das Terry überstellt wurde, das in unserem Heimatstädtchen war.
Ganz richtig. Unser Gefängnis. In unserem Städtchen.
Automatisch schaute ich zu meinem Vater hinüber. Terry war verurteilt worden, den Rest seines Lebens in dem Gefängnis zu verbringen, das sein Vater gebaut hatte und
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