Vatermord und andere Familienvergnuegen
nicht ihr Sohn. Das verstand natürlich keiner. Ich musste sie niederschreien: »Ich kann ihn überreden, friedlich herauszukommen! Geben Sie mir nur die Chance dazu!« Aber die Bullen hatten da eigene Vorstellungen. Mir schwante, dass ihnen gar nichts daran lag, dass Terry die Bowlingbahn lebend verließ. Ich musste handeln. Also fragte ich: »Wollen Sie unbedingt einen Märtyrer aus ihm machen? Wollen Sie, dass er als Outlaw in die Geschichte eingeht, noch einer, den die Polizei massakriert hat? Wenn Sie ihn erschießen, wird sich niemand mehr an seine Verbrechen erinnern! Sie werden ihn zum Helden verklären! Wie Ned Kelly! Und Sie stehen als die Bösen da! Stellen Sie ihn vor Gericht, wo seine ganze Brutalität ans Licht kommt. Dann wird derjenige der Held sein, der ihn lebend gestellt hat! Jeder kann einen Mann erschießen, genau wie jeder einen Keiler abknallen und dann rumrennen und posaunen kann: Ich hab ihn! Ich hab ihn erwischt! Aber einen wütenden Keiler mit bloßen Händen zur Strecke zu bringen - dazu braucht man Mumm!«
Während ich meine Ansprache hielt, musste ich meiner Mutter den Mund zuhalten, und ihr Biss in meinen Handballen war ziemlich gemein. Sie war wirklich verrückt geworden. »Erschießt ihn!«, schrie sie, als ich meine Hand wegnahm. »Sind Sie denn nicht seine Mutter?«, fragten die Beamten verwirrt. Sie kapierten einfach nicht, was die Sache mit dem bösen Zwilling sollte.
Das Schicksal meines Bruders hing in der Schwebe, sie berieten sich, tuschelten hämisch, bösartig, fast schon handgreiflich.
»Okay, Sie dürfen rein«, sagten sie schließlich und ließen unglückseligerweise auch meine Mutter mitkommen.
Die Bowlingbahn lag im ersten Stock. Auf jeder Stufe der Betontreppe, die nach oben führte, stand ein finster blickender Polizist. Ich dachte: Diese Männer sind ungeheuer gefährlich; wie gierige Zweitbesetzungen, die nur darauf warten, den Star abzulösen, fest entschlossen, sich nicht von Lampenfieber unterkriegen zu lassen. Auf dem Weg nach oben informierte uns ein Detective über den Stand der Dinge. Soweit er wusste, hatte Terry die Bowlinganlage betreten, während Kevin Hardy, der dreifache Weltmeister, dort ein paar Kugeln schob. Unbestätigten Gerüchten zufolge hatte Hardy jemanden bezahlt, während eines Wettkampfs nicht gefallene Pins von hinten mit einem Besenstiel umzustoßen. Weil die Anschuldigungen auf wackligen Beinen standen, war Terry nicht hergekommen, um ihn umzubringen, er wollte ihm nur die Bowlingfinger brechen - einschließlich des kleinen Fingers, für den Fall, dass Hardy zu den wenigen Bowlingspielern zählte, die für etwas mehr Effet den kleinen Finger einsetzen. Anschließend hatte Terry sich von zwei hübschen Mädchen hinter der Theke verführen lassen. Dem Groupie-Phänomen, dem Superbonus des Promidaseins, hatte Terry noch nie widerstehen können. Nachdem er seine Wahl zwischen den beiden Mädchen getroffen hatte, hatte die Aussortierte dummerweise die Polizei gerufen, sodass Terry, nachdem er Kevins Hand gebrochen, Sex mit dem Groupie gehabt hatte und zum Aufbruch bereit war, längst in der Falle saß.
Nun kniete Terry mit der Waffe in der Hand, umgeben von vier Geiseln als menschlichem Schutzschild, mitten auf der hinteren Bahn. Die Polizisten waren in Stellung gegangen; sogar zwischen den Kegeln konnte man den schwarzen Lauf eines Scharfschützengewehrs hervorragen sehen. Sie hatten ihn im Visier, und mir war absolut klar, dass sie schießen würden, sobald sie nur könnten.
Doch seine Deckung war gut - eine Reihe von Gesichtern, in denen das nackte Entsetzen stand.
»Sie da!«, schrie meine Mutter. Die Polizisten hielten sie zurück. Sie trauten Terry zu, die eigene Mutter zu erschießen, vor allem in Anbetracht ihrer verrückten Geschichte, er sei gar nicht ihr Sohn, sondern ein heimtückischer Klon.
»Terry«, rief ich, »ich bin's, Marty.« Weiter kam ich nicht, denn meine Mutter legte schon wieder los.
»Wer sind Sie?«, schrie sie.
»Mum? Scheiße. Marty, schaff sie raus hier, ja?«
Er hatte natürlich recht. Wenn ein Mann seinen blutigen Abgang inszeniert, will er nicht, dass seine Mutter mit von der Partie ist.
Ich versuchte, sie zu überreden, lieber zu gehen, aber sie wollte davon nichts hören.
»Versteck dich nicht länger hinter diesen armen Menschen, du Hochstapler!«, kreischte sie.
»Mum, verschwinde hier!«, rief Terry.
»Nennen Sie mich nicht Mum! Ich weiß nicht, wer Sie sind oder woher Sie das Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher