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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
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Parzelle stehen drei Apfelbäume, ein Birnbaum und ein alter Pflaumenbaum. Die Obsternte teilen wir uns mit dem Eigentümer. So ist es vereinbart. Papa versteht sich gut mit ihm. Herr Kinnebrock betreibt einen Gasthof in Gelmer, und manchmal sind wir auf unseren Radtouren bei ihm eingekehrt. Seine Frau macht den zweitbesten Apfelkuchen der Welt, den besten backt Oma.
    Herr Kinnebrock hat uns das Land angeboten und auch seine Hilfe zugesagt. Meine Mutter hat drei Reihen Kartoffeln gesetzt und Möhren und Erbsen gepflanzt. Vor dem Zaun am Graben wuchert ein Brombeerstrauch.
    Ich freue mich jetzt schon auf die gemütlichen Einkochtage. Ich liebe diese Nachmittage, wenn ich mit Mama Apfelmus koche. Der Herd ist warm, das Feuer prasselt, ein Topf mit Mus brodelt auf der Kochstelle, der große Einkochtopf steht noch an der Seite. Der Wasserkessel summt, weil Mama einen frischen Pfefferminztee aufbrühen will. Karierte Küchenhandtücher hängen an einer Leine über dem Herd. Manchmal dudelt der Volksempfänger * . Wir unterhalten uns, und nichts und niemand kann uns stören …
    Meine Mutter räumt die Kräutertöpfe von der Fensterbank und öffnet das Fenster. Mit der frischen Luft dringt das Läuten der Kirchenglocken in unsere Küche, die dunklen Töne der Domglocken und das helle Geläut von Überwasser, Martini und Lamberti läuten den Sonntag ein. Ich lehne mich aus dem Fenster und sehe, dass Norbert Steinkamp an der Hand seiner Mutter, das Gesangbuch unter den Arm geklemmt, zur Kirche geht. Das sieht komisch aus. Norbert hinkt leicht, und seine Mutter zieht ihn, wenn sie es eilig hat, hinter sich her.
    Früher habe ich oft mit Norbert gespielt. Das Herumtollen, Balgen oder Fußballspielen mit den anderen Jungen aus unserer Straße hat ihn nie sonderlich interessiert. Aber »Hinkefuß«, so riefen sie ihn, war ja auch nicht der Schnellste. Er saß lieber mit mir in der Sandkuhle.
    Er sieht mich am Fenster und grinst zu mir herauf. Ich glaube, er will mir zuwinken, kann sich aber nicht entscheiden, was er loslassen soll: die Mutter oder das Gebetbuch. Norbert gerät ins Stolpern, und seine Mutter zerrt ihn mit einem energischen Ruck hinter sich her. Ich glaube, die versteht keinen Spaß. Das hat Norbert mir mal erzählt. Einen Vater hat er nicht mehr, der ist kurz nach seiner Geburt abgehauen.
    »Kommt! Es geht los«, sagt Papa. »Jetzt ist Erntezeit. Zuerst geht es den Äpfeln an den Kragen.« Mein Herz macht einen Sprung. Endlich wieder ein Sonntag mit einer Fahrradtour ins Grüne. Vor dem Krieg haben wir regelmäßig Ausflüge gemacht, und wenn es nur der Sonntagsspaziergang rund um den Aasee war. Doch die gemeinsamen Unternehmungen werden immer seltener. Umso glücklicher bin ich über einen solchen geschenkten Tag wie heute.
    Meine Mutter hängt sich einen Korb mit Decke, Kuchen und Limonade an den Lenker. Hans und ich verteilen die Rucksäcke, Körbe und Eimer auf unsere Räder. Papa hat heute keine Uniform an und versucht mit gespielter Verzweiflung den langstieligen Apfelpflücker auf dem Rad zu balancieren. Am Max-Clemens-Kanal erreichen wir die Stadtgrenze, und wir sind mitten in einer Landschaft aus Wallhecken, eingezäunten Wiesen und prächtigen Bauernhöfen. Papa schiebt sich den Apfelpflücker unter den Arm, brüllt »Attacke!« und fährt mitten auf der Straße, wie ein Ritter mit angelegter Lanze, auf einen unsichtbaren Gegner zu. Hans, sein treuer Knappe, immer hinterher. Die Kühe auf der Weide vergessen das Wiederkäuen und glotzen ungläubig. Meine Mutter kann sich vor Lachen kaum auf dem Fahrrad halten.
    Unsere Apfelbäume sind voll mit dicken grünen und süßen Klaräpfeln. Das wird ein Erntefest! Meine Mutter und ich sortieren die Falläpfel aus. Hans klettert in die Bäume und erschreckt Mama mit Rufen wie: »Hilfe! Der Ast … aaahh!« oder »Fangt mich auf! Ich faalllle!« Drei Mal macht er das, und Mama fällt immer wieder darauf rein, bis Papa es ihm mit unterdrücktem Lachen und gespielt strenger Stimme verbietet: »Schluss jetzt! Du sollst deine Mutter nicht so erschrecken.« Er pflückt von unten mit dem Apfelpflücker und ruck, zuck sind die Körbe, Eimer und Rucksäcke voll.
    Im Schatten eines Apfelbaums breitet Mama die grobe, graue Decke aus. Hans verteidigt Apfelkuchen und Limonade gegen die Wespen, und Papa lehnt, einen Grashalm kauend, am Baumstamm. Erst am späten Nachmittag schieben wir unsere schwer bepackten Räder zurück in die Stadt.
    Ach, es soll bitte immer solche

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