Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
Vom Netzwerk:
man beizeiten die Hälse umdreh’n«, sagt sie dann. Pfeifen gehört sich für Mädchen nicht!
     
    Vier Uhr. Wir treffen uns wie immer im Zwinger. Anschließend wird die Chorprobe im Saal über dem Foyer stattfinden.
    Wenn man durch die schmiedeeiserne Tür in die Eingangshalle mit dem Kamin tritt, kann man kaum glauben, dass der Zwinger einmal als Zuchthaus gedient hat. Jetzt gibt es hier einen Heimabendraum, Werkstätten, funktechnische Gerätschaften, ja sogar ein Schallplattenschneidegerät. Das BDM -Orchester probt im Musiksaal. Ich spiele leider kein Instrument, obwohl wir daheim ein Klavier haben. Aber ich habe eine schöne klare Stimme. Deshalb darf ich im Chor mitsingen. Ich schaue mich um. Meine Hoffnung, Werner heute zu sehen, erfüllt sich nicht. Die anderen Mädchen sind schon da, deshalb bleibt mir keine Zeit, ihn zu suchen.
    Und dann entdecke ich ihn doch im Gespräch mit Franziska vor unserem Gruppenraum. Er lächelt mich an, verabschiedet sich von uns beiden, und ich beginne mit der Gruppenstunde.
    »Wir verabschieden den Polizeipräsidenten. Der Parteigenosse Mennecke geht nach Riga. Der Reichsführer der SS * Heinrich Himmler * hat ihn mit einer besonderen und noch geheimen Aufgabe betraut«, leite ich die Stunde ein. »Gibt es Vorschläge, wie unser Beitrag zu dieser feierlichen Verabschiedung aussehen könnte?«
    »Was haltet ihr von einem Feuer?«, ruft Hedwig in die Runde.
    »Au ja, wir machen ein Freudenfeuer, das man bis zum Schlossplatz sieht.« Emmys Wangen glühen vor Begeisterung.
    Johanna schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Ist das dein Ernst, Emmy? Ein Freudenfeuer, weil er weggeht?«
    »Ach, du meine Güte. So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte nur, ein Feuer ist immer gut. Es ist so romantisch, wenn wir es entzünden – und damit das Licht des Glaubens an den Führer entfachen.«
    Jetzt meldet sich Franziska. »Das ist gar nicht so dumm. Mein Vater hat mir erst kürzlich erzählt, dass der Polizeipräsident 1933 Leiter des Kampfbundes der Studenten in Münster war. Und da haben sie auf dem Neuplatz undeutsche Bücher verbrannt. Und Mennecke war es, der den Scheiterhaufen anzündete und die Bücher den Flammen übergab.«
    »Wir würden also an seine großartigen Taten anknüpfen. Das wäre ein Feuer, das eine richtige Bedeutung hat.«
    »Klasse Idee! Vor Menneckes Haus. Das wird ihm bestimmt gefallen.« Gertrud fertigt eine Skizze vom Coerdeplatz an. »Meinst du, das kriegst du genehmigt?«
    »Da mach dir mal keine Sorgen«, sage ich, schließlich ist mein Vater bei der Polizei. »Aber was sollen wir verbrennen? Muss ja etwas sein, das Sinn macht.«
    »Na, alles Mögliche, was jüdisch ist und undeutsch.« Franziska beteiligt sich mit Eifer an den Planungen. »Zum Beispiel Flugblätter! Und wie wär’s mit Büchern?«
    »Undeutsche Bücher? Meint ihr, es gibt wirklich noch verbotene Bücher?«, fragt Maria zweifelnd.
    »Es wäre einen Versuch wert. Wir starten eine Sammelaktion und klappern die Straßen in der Innenstadt ab. Die Leute müssen doch froh sein, wenn wir ihnen das Zeug abnehmen.« Das ist Hedwigs Vorschlag.
    »Wir organisieren Bollerwagen und bilden Trupps. Wir klingeln artig und fragen. Da ist nichts dabei. Die HJ macht bestimmt mit«, sagt Franziska.
    »Garantiert!«, werfe ich ein. »Morgen um drei proben wir die Lieder, und am Samstag ziehen wir mit Bollerwagen los und sammeln das Zeug bei den Leuten ein. Wir fragen die HJ , ob sie mitmacht. Je mehr dabei sind, umso mehr können wir sammeln.«
    Alle sind einverstanden.
    Ich werde mit meinem Vater sprechen, und Franziska wird bei der HJ anfragen. Vielleicht wird dann auch Werner mit dabei sein.
     
    Am nächsten Morgen läuft Franziska in der großen Pause hinter mir her. An der breiten Freitreppe holt sie mich ein und legt mir den Arm um die Schulter.
    »Ich glaube, die Bollerwagenaktion wird richtig gut. Und dann erst das Feuer … Aber sag mal, Paula. Du bist doch lange mit Mathilda befreundet gewesen. Mein Vater hat mir erzählt, ihr Vater musste die Leitung der Klinik abgeben, weil seine Frau Jüdin ist. Hast du das gewusst?« Ohne eine Antwort abzuwarten, redet sie weiter. »Und hast du eigentlich eine Ahnung, wo die geblieben sind?«
    Am liebsten würde ich ihr sagen, dass Mathilda nur Halbjüdin ist, aber ich glaube, das macht für Franziska sowieso keinen Unterschied. Ich will auch gar nicht mit jemandem über Mathilda reden.
    »Nein«, sage ich knapp. »Irgendwann ist sie einfach

Weitere Kostenlose Bücher