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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
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meine Bücher. Die gehörten meinem Sohn. Der braucht sie nicht mehr. Paul ist vergangene Woche in Russland gefallen.« Herr Rosensträter geht zwei Schritte zurück und schließt grußlos die Wohnungstür.
    »Na, das klappt doch bestens«, meint Werner, und Hans trägt den Stapel in der Armbeuge nach draußen. Ein Buch nach dem anderen wirft er in den Bollerwagen und liest dabei die Titel laut vor:
»Emil und die Detektive, Das fliegende Klassenzimmer, Pünktchen und Anton …«
    Wir ziehen weiter von Haus zu Haus. Nicht an jeder Haustür stoßen wir auf Begeisterung für unsere Aktion. Manchmal sind die Leute abweisend. Ob wir keine anderen Sorgen hätten, werden wir gefragt. Aber auf einigen Dachböden und in Kellern werden wir fündig. Abends ist unser Bollerwagen gerade mal zur Hälfte gefüllt.
    Nach und nach trudeln auch die anderen am Zwinger ein. Auch ihre Wagen sind höchstens halb voll.
    Johanna bringt es auf den Punkt: »Ein riesiges Feuer wird das nicht.« Enttäuschung macht sich breit.
    Werner ergreift das Wort: »Egal. Es kommt auf die Symbolkraft an. Wir stapeln jetzt alles so, dass es auf drei Bollerwagen passt, und mischen ein paar Lumpen darunter, damit es nach was aussieht.« Mit einem »Sieg Heil!« gehen wir auseinander.
    Hans ist verschwunden, und ich muss ihn suchen. Im Gang zu den Toiletten kommt er mir mit rotem Kopf entgegen. Auf dem Nachhauseweg läuft er langsamer als ich und presst beim Gehen einen Arm fest an den Körper.
    »Was ist los mit dir? Hast du Schmerzen, oder warum läufst du so komisch?«, frage ich ihn.
    »Nö«, druckst er herum, »mir geht es gut.«
    »Hans, du versteckst doch was …« Ich zeige auf seinen angewinkelten Arm.
    »Quatsch, was soll ich denn verstecken?« Er weicht mir aus und läuft etwas schneller.
    »Willst du mich veräppeln?« Ich laufe ihm nach und ziehe an seinem Ärmel. Hans versucht mich wegzustoßen, und da fallen auch schon zwei Bücher auf das Straßenpflaster. Sie heißen
Emil und die Detektive
und
Pünktchen und Anton
. Ich kann es nicht glauben. Ausgerechnet Hans schmuggelt undeutschen Schund.
    »Sag mal, spinnst du? Wir sammeln den Mist, um ihn zu verbrennen, und du nimmst ihn mit nach Hause?«
    »Ach komm«, bettelt er, »das hörte sich so spannend an. Und es ist lustig, wie die heißen: Pony Hütchen und Frau Tischbein. Sieh nur, da sind sogar Bilder drin. Es spielt in Berlin, und Emil wird Geld geklaut … Ich habe schon angefangen zu lesen. In den Ofen stecken kann ich es immer noch.«
    Ich muss lachen. »Dann versteck es gut vor Papa und Mama. Ich werde dich nicht verpetzen. Jedenfalls nicht, wenn du fünfmal für mich abtrocknest.«
    »Fiese Erpresserin«, mault Hans, aber sein verschmitztes Lächeln zeigt mir, dass er die Verärgerung nur spielt. Er schiebt sich das Buch in den Hosenbund und knöpft seine Jacke darüber.
     
    Am Abend – Hans hat sich längst in sein Zimmer verdrückt – frage ich meinen Vater, ob er glaubt, dass die Polizei etwas gegen eine Bücherverbrennung einzuwenden hätte. Ich sehe, dass er sehr müde ist, und zunächst hört er mir auch nur unwillig und lustlos zu. Sein Dienst nimmt ihn seit Tagen sehr in Anspruch, und er war kaum zu Hause. Als ich ihm von der Bollerwagenaktion erzähle, ist er plötzlich hellwach. Ich glaube zunächst, dass meine Begeisterung ihn mitgerissen hat. Aber da ist ein fremder Ausdruck in seinen Augen, der mich erschreckt.
    »Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?«, schimpft er. »Acht Jahre nach der Bücherverbrennung ziehen Trupps von BDM und Hitlerjungen durch die Stadt und sammeln den Schund ein, den unsere Volksgenossen auf ihren Dachböden, in ihren Kellern oder – noch schlimmer – in ihren Bücherschränken vergessen haben. Und dann wollt ihr den ganzen Mist ausgerechnet unter dem Balkon des Polizeipräsidenten Mennecke verbrennen? Als ob ihr sagen wollt: ›Sehen Sie mal her, was Ihre Polizei alles übersehen hat!‹«
    Ich muss mich erst mal anstrengen, seinen Gedankengang überhaupt nachzuvollziehen. Damit hatte ich im Traum nicht gerechnet! Ich dachte, er würde unsere Aktion toll finden.
    »Welcher Teufel hat euch da bloß geritten?«, fragt er fassungslos. »Ihr holt bei den Volksgenossen Bücher ab, die es seit Jahren nicht mehr geben darf?«
    »Wir haben es doch nur gut gemeint«, sage ich kleinlaut.
    »Gut gemeint? Wir?« Er steht auf und beugt sich über die Tischplatte zu mir herüber. »Das ist hier doch kein Kindergeburtstag, wo jeder

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