Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
kippen die Bücher auf einen Haufen, gießen Petroleum darüber. Schon lodern die Flammen.
»Und das alles«, ruft Werner, »tun wir in anständiger Gesinnung, sauber und deutsch, aber auch mit dem Willen zu eiserner Härte. Der Führer zeigt uns den Weg. Führer, wir folgen dir.«
Und wir alle antworten wieder mit einer Stimme: »Führer, wir folgen dir!« Und als wolle auch er mittun, bricht jetzt der Mond hervor, eine helle Scheibe, und wirft sein klares Licht über uns.
Der Gauleiter tritt vor: »Volksgenossen! Wir müssen wachsam sein, unermüdlich beobachten, damit wir die Intrigen und Verschwörungen unserer versteckten Feinde im Keime ersticken können. Das ist unsere Aufgabe, unsere heilige Aufgabe. Der Polizeipräsident wird diese Aufgabe erfüllen. Auf Befehl des Führers geht er nach Riga, um in vorderster Front den Feind zu vernichten.«
Wir jubeln, klatschen, werfen ihm Worte und bewundernde Gesten zu. Ja, so sehen Führer aus. Mennecke ist einer, der Gauleiter auch. Und auch Werner.
»Brüder, reicht die Hand zum Bunde …«
Aus dunklen Kehlen steigen die Töne, wie es die Feierlichkeit des Augenblicks verlangt. Das Feuer knackt. Ein Buch wölbt sich in der Glut, als wolle es sich gegen das Verbrennen wehren – um dann doch rasch in sich zusammenzufallen.
Einige Jungen stochern in der Glut und freuen sich über die gelungene Aktion. Werner ist dabei und mein Bruder Hans.
»Uff«, sagt Hedwig. »Das nimmste mit in die Ewigkeit.«
Mit Fackeln ziehen wir weiter durch die Straßen des Kreuzviertels, am Buddenturm vorbei bis zum Hindenburgplatz. Der Polizeipräsident begleitet uns im offenen Wagen. Lieder und tiefes Schweigen, das nur vom Geräusch einheitlicher Schritte unterbrochen wird, wechseln sich ab.
Der Abend breitet sich über uns. Der Himmel wölbt sich mit tausend Sternen, eine Sternschnuppe saust durch die schwarzblaue Nacht, und meine guten Wünsche gelten dem Führer. Eine zweite Sternschnuppe widme ich Mathilda! Wie schön wäre es, wenn wir das hier gemeinsam erleben könnten. Während ich noch in Gedanken bei Mathilda bin, legt sich auf einmal eine Hand auf meine Schulter.
»Hallo, Paula.« Werners blaue Augen sehen mich an. »Du siehst sehr hübsch aus heute Abend.«
»Du warst großartig, Werner«, antworte ich und sehe ihm dabei fest in die Augen.
Wir wechseln nur diese wenigen Worte, dann wendet Werner sich wieder ab. Ich sehe ihm nach, wie er mit aufrechtem, sicherem Gang zu Polizeipräsident Mennecke geht und nach dem Hitlergruß mit ihm spricht. Der traut sich was! Und wie gut er aussieht: groß, schlank, muskulös, das blonde Haar sauber gescheitelt. Eine lange Strähne fällt ihm in die Stirn. Ich sehe, dass die Mädchen ihn anstarren. Keine Frage, er ist der Schwarm vieler. Und doch, er dreht sich um und seine Augen suchen – mich?
Langsam werde ich nervös. Von ihm zu träumen, ihn mit den Augen zu suchen, für ihn zu schwärmen ist das eine. Aber was ist, wenn er sich wirklich für mich interessiert? Mein Herz klopft wie verrückt, als er auf mich zukommt. Meint er wirklich mich, oder ist es einfach nur die besondere, geheimnisvolle Stimmung dieser Nacht, die ihn etwas Kühnes tun lässt?
Er sagt leise Worte zu mir. Ich bin furchtbar nervös, bei dem Stimmengewirr, das uns umgibt, verstehe ich ihn kaum.
»Morgen?«, frage ich nach.
»Ja, wenn du magst, morgen um vier?«
Wenn ich mag? Was für eine Frage! Mein Herz rast. Wenn heute Nacht Alarm kommt, ist mir das egal, ich kann sowieso nicht schlafen. Ich spüre eine Sehnsucht in mir, die ich nicht erklären kann. Die Glocken des Domes beginnen zu läuten, und sie klingen wie die Verheißung einer glücklichen Zukunft. Es sind die letzten Töne dieser Nacht, die sich auf dem Nachhauseweg rabenschwarz über mir ausbreitet. Der Mond hat sich verzogen, ich öffne die Haustür und taste mich ins Haus. »Morgen«, flüstere ich, »morgen um vier.«
»Bodennebel«, sagt Hans beim Frühstück und will sein Wissen zeigen. »Die Engländer können wegen Bodennebel nachts nicht starten.«
»Ja, aber jetzt ist es doch sonnig und klar«, erwidere ich.
»Ach, Schwesterchen«, spottet Hans, »gerade weil es jetzt so sonnig und klar ist, würde unsere Flak die feindlichen Flugzeuge doch sofort erkennen. Und – bumm – würden sie abgeschossen. Nee, bei so einem Wetter kommen die tagsüber nicht.«
Heute ist mir alles egal. Bomben hin, Flugzeuge her. Wann ist es vier Uhr?
Ich treffe mich mit Werner am
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