Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
holt er den Frankfurter Juden Süß Oppenheimer an seinen Hof in Stuttgart. Heimlich wie ein Dieb schleicht sich Oppenheimer in die Stadt, und es gelingt ihm, das Geld für den Herzog zusammenzukratzen. Doch nur mit brutalen Methoden: Er erhebt Steuern, Zölle und Brückengelder. Die Württemberger murren, aber kleine Rebellionen werden mit grausamer Schärfe niedergeschlagen. So wird der Schmied Hans Bogner gehängt, weil er, von Oppenheimer und seinen Helfern in seiner Existenz bedroht und bis zum Äußersten gereizt, Gewalt mit Gewalt beantwortet.
»Rache für den Schmied. Nieder mit dem Juden!« In den Reihen vor mir springen Hitlerjungen von ihren Sitzen, brüllen und recken die Fäuste.
Es wird spannend! Doch Süß Oppenheimer sorgt weiter dafür, dass der Herzog sich bereichern kann. Der Herzog ist mit ihm zufrieden und gestattet den Juden, sich im Land frei zu bewegen und sich in den Städten niederzulassen. Eine Horde von Juden, bärtige, schmutzige Männer mit verschlagenen, gierigen Gesichtern, in langen, verdreckten Mänteln, zieht singend in Stuttgart ein.
»Ich mache die Tür für euch auf«
, hatte Jud Süß ihnen versprochen.
»In Samt und Seide sollt ihr gehen.«
Und er zeigt dabei ein gemeines Grinsen.
»Vertreibt sie!« – »Raus mit den Juden!« Im Kino wird es laut.
Ich stöhne vor Wut. Wie sich diese Juden den Zugang zur Stadt erschleichen und sich dort einrichten! Wie Ungeziefer. So zeigt es der Film.
Süß Oppenheimer will immer mehr in seiner Habgier. Er will Dorothea, die Tochter des Fürstenberaters Sturm, heiraten. Doch Dorothea ist mit Faber verlobt. Süß lässt ihren Vater unter einem Vorwand ins Gefängnis werfen. Als die ausgeplünderten Bürger und Bauern beginnen, Widerstand zu leisten, löst der Herzog einfach das Parlament auf. Er folgt dem Rat des Juden und macht sich mit einem Staatsstreich zum absoluten Herrscher. Die Juden finanzieren diesen Bürgerkrieg, den der Herzog gegen das Volk führt.
Im Kino brandet Protest auf. »Aufhören, das ist unerträglich.« – »Nein, weiter, weiter.« – »Wir wollen sehen, wie weit sie es treiben!«
Bisher hatte das Volk gezögert, aber jetzt wird zum Aufstand aufgerufen. Faber tritt einem geheimen Orden bei und wird verhaftet. Er wird auf Befehl Oppenheimers gefoltert, weil er seine Mitverschwörer nicht verraten will. In ihrer Angst eilt Dorothea zu dem Juden Süß. Sie hört die Schreie des Gefolterten, wird von Oppenheimer in das Schlafzimmer gedrängt und auf das Bett geworfen. Dorothea bittet ihn, sie nicht anzurühren. Jud Süß sagt grinsend:
»Unser Gott ist der Gott der Rache. Auge um Auge.«
Ich spüre, wie sich Klaras Finger in meinen Unterarm krallen. Sie schluchzt. Im Kino ist es still. Alle scheinen die Luft anzuhalten. Einer schreit: »Jude! Dreckskerl!«
Ich will aufspringen, will so etwas Widerliches nicht mit ansehen. Klara hält sich die Hände vor das Gesicht.
Faber kommt frei. Aber zu welchem Preis? Nur wenige Stunden nach seiner Freilassung zieht er seine junge Frau als Leiche aus dem Neckar. Faber trägt Dorothea auf dem Arm vor das Haus Oppenheimers. Eine wütende Menschenmenge folgt ihm.
»Jude!«
, schreit Faber.
»Der Jude hat sie auf dem Gewissen!«
Jetzt bricht der Aufstand los.
»Totschlagen. Den Sünder totschlagen.«
Die Menge zerschlägt die Tür und stürmt in das Haus. Jud Süß, schon zur Flucht bereit, wird verhaftet. Der Herzog hat die Stadt verlassen, damit Jud Süß bei seinem Staatsstreich freie Hand hätte. Ein Schlaganfall wirft ihn um, und sein Tod macht alle Vergünstigungen für die Juden ungültig. Süß wird der Prozess gemacht. Die Richter verurteilen ihn zum Tode. Er winselt um sein Leben. Aber es gibt keine Gnade. Die Zunft der Schmiede baut einen Galgen, höher als alle Galgen zuvor. Und innerhalb eines Monats müssen alle Juden das Land verlassen.
»Richtig so! Sie müssen weg!«, schreit jemand in das Dunkel. Im Kino liegt eine Stimmung, die jeden Moment explodieren kann. Schreie und lautes Durcheinander. »Jawohl, aufhängen und vertreiben. Das sollten wir mit diesem Pack machen! Weg mit den Juden!«
Auf dem Heimweg gehen wir schweigend nebeneinanderher. Klara hält sich immer noch an mir fest. Nein! Mit Juden will keiner etwas zu tun haben. Nach diesem Film nicht mehr, bestimmt nicht. Wir kommen am Kanonengraben vorbei. Ich zucke zusammen.
»Ist was?« Klara klammert noch mehr.
Mein Vater kommt an diesem Abend spät nach Hause. »Wie war der Film?«, fragt
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