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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
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Hans und ich, wir gehören zusammen, egal was passiert.
    »Der Jude wird immer gelogen haben.«
    Fräulein Steinbredes Stimme ist unerbittlich. »Das war mir nicht flüssig genug, Paula. Reiß dich in Zukunft zusammen.«
     
    Um drei Uhr gibt es einen Voralarm. Wir wollen gerade in unseren Keller, da wird schon wieder Entwarnung gegeben. Meine Mutter ist sehr beunruhigt, aber sie ist froh, dass Hans und ich bei ihr sind. Mein Vater ist dienstlich unterwegs.
    Wir sind lange von Alarmen verschont geblieben. Aber alle wissen, dass das nicht so bleiben wird. Es gibt Gerüchte, dass die Tommys bald zu einem großen Schlag ausholen werden. Dass sie nur eine Atempause genommen haben, um eine neue Taktik auszuprobieren. Sie werfen zuerst Sprengbomben, die die Häuser beschädigen und die Dächer abdecken. Danach wirft eine zweite Angriffswelle Brandbomben. Die abgedeckten Häuser in den engen Straßen der Städte wirken wie riesige Kamine. Alles wird lichterloh in einer unvorstellbaren Hitze verbrennen. Der Teer auf den Straßen soll dabei flüssig werden, die Menschen gedemütigt und zermürbt.
    Aber das wird ihnen nicht gelingen. Wir halten zum Führer. Die Frauen erzählen morgens, mittags und abends in den langen Warteschlangen vor den Läden von alldem. Manchmal frage ich mich, woher sie das alles wissen. In Zeitungen steht das nicht. Auch der
Deutschlandsender
berichtet nur von Siegen der Armeen. Und auf das Hören von Feindsendern steht Zuchthaus.
     
    Meine Mutter sitzt im Salon über ihren Modezeitschriften. Ich erzähle ihr von Herrn Ackermanns Verhaftung.
    »Wenn er nichts getan hat, dann hat er auch nichts zu befürchten«, sagt sie, ohne von ihrer Zeitschrift hochzuschauen. Sie klingt wie mein Vater. »Du kannst froh sein, dass die Gestapo ihre Augen und Ohren überall hat und euch vor Lehrern wie diesem Ackermann bewahrt«, fährt sie fort. Ihre Finger wandern über die Modefotos und bleiben an einem Abendkleid hängen. »Sieh nur. Das ist doch traumhaft. Was würde ich darum geben.«
    »Bitte, Mama. Das meinst du doch jetzt nicht ernst. Herr Ackermann und Abendkleid!« Ich seufze tief.
    Hans klappert in der Küche mit Geschirr. Er schiebt die Teller in einer Ecke des Tisches zusammen. Der Volksempfänger spielt Schlagermusik. Hans breitet seine Karte aus und sortiert die Fähnchen. Gleich kommen die neuesten Siegesmeldungen im Radio. Dann werden die Fähnchen Stück für Stück weitergeschoben – dahin, wo unser siegreiches Heer jetzt steht. Hans wartet … So wie es aussieht, bleibt der Abwasch mal wieder für mich zurück.
    »Und Stoffe kriegt man auch nicht …«, murmelt Mama selbstvergessen vor sich hin.
    »Ach Mama, deine Sorgen möchte ich haben.« Ich bin enttäuscht.
    »Hast du Sorgen? Geht dir dieser … na, wie heißt er noch gleich? Geht dir der Lehrer nicht aus dem Kopf?« Sie schaut mich noch nicht mal an. Ihre Augen kleben an den Kleidern.
    »Ackermann, Mama. Herr Ackermann ist doch nur ein alter Mann, der jahrzehntelang Lehrer war. Ein guter Lehrer! Auf seinen Unterricht habe ich mich immer gefreut. Ich verstehe nicht, warum man seinetwegen so ein Aufhebens macht.«
    »Ich muss mir unbedingt eine Schneiderin besorgen. Ich werde mich mal bei meinen Frauen im Winterhilfswerk umhören. Wenn der Stoff nur nicht so knapp wäre. Es gibt kaum etwas zu kaufen. Dabei habe ich noch jede Menge Punkte auf meiner Kleiderkarte.«
    Mama geht gar nicht auf mich ein. Ihr Modefimmel ist schon seltsam. Seit dem Umzug ins neue Haus verabscheut sie auf einmal Kopftücher. Sie trägt jetzt Hüte. Ihr neuer Wintermantel hat einen echten Pelzkragen. Und in der Küche wartet der Abwasch.
    »Ich werde Hans mal Grüße von Frau Abwasch bestellen. Er hat lange nichts von ihr gehört.« Hans meckert sofort los, er versteht, dass ich einen Witz mache.
    »Frau Abwasch? Wer ist denn diese Frau?«, fragt Mama gedankenverloren.
    »Oh, verdammt«, kommt es aus der Küche. Ein Glas fällt um, Wasser rauscht in das Abwaschbecken und Besteck klappert.
    »Hans?«, ruft Mutter. »Ist alles in Ordnung bei dir? Wer ist diese Frau?«
    »Lass nur, Mama«, sage ich. »Sie hat einen guten Einfluss auf ihn. Er spült jetzt ab.« Hans hat sich die Hemdärmel aufgekrempelt und steht gebeugt über dem Spülbecken. Aus einem Einmachglas mit Schraubverschluss streut er Laugenpulver in das Spülwasser. Er geht zum Herd, nimmt den großen Kessel herunter und lässt das heiße Wasser in das Becken laufen. Vorsichtig prüft er mit dem

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