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Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Zöller
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Zeigefinger die Temperatur.
    »Miese Erpresserin«, knurrt er mich an, als ich grinsend in die Küche komme. »Hilf mir mal, dann verrate ich dir auch etwas.« Er zwinkert mir verschwörerisch zu.
    »Nö. Eigentlich sehe ich dir gerne bei der Arbeit zu.«
    Hans füllt Wasser aus dem Wasserkran in den Kessel und stellt ihn auf die Herdplatte zurück. Unter dem Kesselboden zischt es. Wassertropfen tanzen dampfend über die Platte. Ich sehe Hans an, wie sehr er das alles hasst.
    »Da entgeht dir aber etwas. Ehrlich.« Er sieht zur Wanduhr über der Tür. Ich nehme ein Trockentuch vom Handtuchhalter. Auf dem Tuch steht in Stickerei
Sich regen bringt Segen
.
    »Na gut. Aber wehe, du legst mich rein«, sage ich.
    Hans stiefelt durch die Küche und schließt die Tür. Beschwörend legt er den Finger auf seine Lippen. »Jetzt pass mal gut auf.«
    Er geht zum Volksempfänger und stellt den
Deutschlandsender
ein.
    »Ja, toll. Nachrichten und Frontberichte. Genau darauf habe ich mich gefreut.«
    »Die Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Fedor von Bock ist zum entscheidenden Angriff auf Moskau angetreten«
, ertönt es aus dem Radio. In der Stimme ist kein Zögern, kein Schwanken, der Tonfall ist klar und deutlich.
    »
Die
2
. Panzerarmee unter Heinz Guderian steht vor Orel.
« Der Sprecher betont jede Silbe.
»Der Sieg der Deutschen Armee ist greifbar nahe.«
Es knackt im Lautsprecher.
»Hitler lügt.«
    Es rauscht. Und die Stimme des Sprechers fährt fort.
»Starke Verbände unter …«
Jetzt knackt es wieder.
    »Der Krieg ist für Deutschland verloren.«
Das ist eine andere Stimme.
»Hitler lügt!«
    Ungläubig sehe ich meinen Bruder an.
    »Hans, was ist das?«
    »Radio. Nachrichten.« Hans grinst. »Das geht schon seit Tagen so. Ein Störsender, der auf der gleichen Wellenlänge wie der
Deutschlandsender
sendet.«
    »Aber das ist doch verboten.«
    »Warum, denkst du, habe ich die Tür zugemacht?« Hans dreht am Radio und stellt einen anderen Sender ein. Schlagermusik.
    »Das ist kein Spaß, Hans.«
    »Nein«, sagt er und feixt, »das ist kein Spaß.«
    »Und – glaubst du das?«
    »Was?«
    »Dass Hitler lügt.«
    »Quatsch. Die wollen uns nur fertigmachen. Verunsichern. Die sind neidisch.«
    Minuten später geht die Tür auf. Mein Vater ist zurück.
    »Nanu, habt ihr Geheimnisse?«
    »Wir wollten Mama nicht stören. Sie studiert Modezeitschriften.«
    »Sie sucht sich bestimmt ein Abendkleid für Berlin aus.«
    »Berlin? Wir fahren nach Berlin?«, juble ich überrascht.
    Mein Vater schüttelt den Kopf. »Eure Mutter und ich fahren im November nach Berlin, und wir werden dort so viele Termine wahrnehmen müssen, dass wir entschieden haben, ohne euch zu fahren. Ihr würdet nur im Hotelzimmer herumsitzen.«
    »Würden wir nicht«, mault Hans. »Wir würden uns auf eigene Faust Berlin anschauen.«
    Papa sieht Hans an und zieht die Stirn in Falten. »Papperlapapp! Oma und Opa werden in der Zeit hier wohnen, und im nächsten Sommer, wenn der Krieg vorbei ist, fahren wir alle gemeinsam nach Berlin. Versprochen. Und jetzt seht zu, dass das Spülwasser nicht kalt wird.«
    Am Abend falle ich in mein weiches, warmes Bett und schließe die Augen. Ich bin todmüde, kann aber nicht einschlafen. So viele Gedanken gehen mir im Kopf herum. Ich starre die Wand an und zähle die Rosen an der Stuckdecke.
Du sollst nicht lügen. Hitler lügt.
Solche Sätze spuken in meinem Kopf. Ich denke an Werner, seinen Kuss spüre ich immer noch auf meinen Lippen. Im Licht der Nachttischlampe leuchtet das rosa Papier von Mathildas letztem Brief.

11. Die Brosche
    Schon wieder im Kino. Sonst bin ich dort fast nie und jetzt zwei Mal hintereinander!
    »Ruhe!«, brüllt eine Stimme in das Halbdunkel des Kinosaals. Es summt wie in einem Bienenkorb. Die mittleren Reihen sind reserviert für die HJ und den BDM . Neben mir sitzt Klara, die es nicht lassen kann, mit Hedwig zu tuscheln. Heute wird uns in einer Sondervorstellung der Film
Jud Süß
* gezeigt. Wir haben alle von dem Film gehört. Er läuft seit einem Jahr in den Kinos. Mein Vater fand ihn grandios.
    Der Vorhang öffnet sich, eine Fanfare ertönt und wir sehen eine Landkarte:
Württemberg
1783
.
    Der Herzog Karl Alexander schwört auf die Verfassung, dass in allen Dingen »nach der alten württembergischen Treue und Redlichkeit« verfahren werden soll. Aber bereits kurze Zeit später will der Herzog eine Garde, eine Oper und ein Ballett. Das Parlament lehnt die Wünsche des Herzogs ab.
    Da

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