Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
mit meiner Diät anzufangen.«
Miguel strich über seinen Bauch. »Es kann nicht mehr allzu lange dauern und dann muss ich wenigstens etwas in Form sein.«
Comitti nahm sich von den köstlichen Dingen, die immer noch auf dem Tisch standen. Er verspürte keinerlei Mitleid mit seinem Gegenüber, das zusah, während er kaute.
»Dann haben Sie die richtigen Zähne gefunden?«
»Ich sagte Ihnen schon eingangs, dass sich was tut, während wir hier sitzen und lesen.«
Comitti nickte. Er erinnerte sich nur zu gut an den ersten Abend. Seitdem hatte sich viel geändert. Es waren nicht nur seine Stimmbänder und seine Nerven strapaziert – er fühlte sich regelrecht ausgebrannt und fürchtete seit geraumer Zeit nicht mehr seinen Tod, sondern die Infizierung.
»Dann suchen Vampirscharen in den Gewölben nach Zähnen?« Comitti konnte ein Glucksen nicht verhindern. Er rügte sich und verbot sich, noch mehr von dem guten Wein zu trinken.
»Ich freue mich, dass Sie sich in guter Laune befinden«, kommentierte Miguel seine Erheiterung. »Es ist wichtig, in welcher Grundstimmung man infiziert wird. Erhalten Sie sich Ihren Humor, Comitti. Er wird uns noch über manch dunkle Nacht hinweghelfen.« Miguel lachte Comitti ins Gesicht, der im Gegenzug jedes Lächeln verlor.
Comitti schauderte es. Er sah zum Fenster. Die einzige Möglichkeit, Miguel zu entkommen wäre, wenn er spränge. Er sah zum Manuskript, das noch nicht fertig gelesen war und auf das Glas Wein, das darauf wartete, von ihm geleert zu werden. Es gab noch so viele angefangene und nicht zu Ende gebrachte Sachen. Er seufzte und lehnte sich zurück. Noch war nicht der Augenblick für Selbstmord gekommen. Er würde erst das Manuskript fertig lesen, die Weinflasche leeren, Miguel aufhalten … Wieder musste er schmunzeln. Der Wein schien ihn albern zu machen.
»Sie könnten mit dem ersten Punkt Ihrer To-do-Liste anfangen.« Miguels Kommentar ließ Comittis Lächeln verschwinden.
*
Zuerst konnte ich das allerdings nicht ahnen. Ich sah Argyle nach und schüttelte den Kopf. Mein friedlicher Vater wollte zum Kämpfer werden. Ich stellte ihn mir vor, wie er mit flammendem Schwert wie der heilige Erzengel Michael vor den vor Angst zitternden Vampyren stand. Nein, so konnte und wollte ich meinen Vater nicht sehen. Er würde sich beruhigen, redete ich mir ein.
Ich blieb und wartete auf ihn. Er kehrte nicht zurück, also musste ich eine Entscheidung fällen und mein Leben ordnen. Ich prüfte mein Herz und fasste einen Entschluss. Wenn sich Argyle in den Kampf gegen Vampyre warf, weil er davon überzeugt war, dass Miguel einen Weg finden würde, sich zu befreien, dann wollte ich nicht untätig sein.
Ich würde weiterhin alles für die Menschheit tun und gottgefällig leben. Aber nicht auf die Art, wie ich es bisher tat. Ich griff nach dem Schleier und zog ihn mir vom Kopf. Dann öffnete ich mein Haar und ließ es im Nachtwind wehen. Ich würde mir neue Kleider besorgen müssen. Schwarz konnte ich nicht mehr sehen.
So wurde ich zur Hüterin des Vatikans.
*
»Merkwürdiges Ende«, murmelte Comitti und blätterte in dem Stapel, der vor ihm lag. »Man sollte doch meinen …«
Miguel saß in seinem Sessel und beobachtete ihn still. Comitti wurde unruhig. Er hatte noch so viele unbeantwortete Fragen. So viel war ihm nicht klar geworden.
»Sparen Sie sich die Mühe, Comitti. Es ist wirklich das Ende.« Miguel lächelte süffisant. Comitti sah ihn alarmiert an. Was meinte Miguel? Meinte er sein Ende oder wirklich nur das des Textes? Hatte er die letzten Seiten an sich genommen? Die Möglichkeit dazu hätte er gehabt.
»Nein. Ich kann Sie beruhigen. Ihnen wurde nichts vorenthalten. Ich weiß genauso viel oder wenig wie Sie. Jetzt können wir nur noch abwarten. Aber keine Sorge, es wird nicht mehr allzu lange dauern. Darf ich Sie in der Zwischenzeit bitten, sich ein wenig auszuruhen?« Miguel wies auf Comittis Bett. Dieser erhob sich seufzend. Wie schon das letzte Mal wurde er geknebelt und gefesselt, bevor Miguel den Raum verließ. Comitti fühlte sich in seiner Hilflosigkeit einer Ohnmacht nahe.
Oder war es Zorn? Er hätte es nicht sagen können. Er betete.
Paolina machte sich Sorgen. Sie vermisste Pater Comitti. Dabei war er für seine Regelmäßigkeit bekannt. Paolina wischte über einen Bistrotisch, der unter einer bunten Lichterkette stand. Kaum hatte sie ihn trocken nachgewischt, hatten sich neue Gäste gesetzt. Es gab keinen Tag in der Woche,
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