Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Gebäude hielten sich keine Sicherheitsleute auf. Warum auch?
Er hatte sich zielstrebig auf eine Tür zubewegt und wusste, bevor er die Stimmen hörte, dass er Miguel gefunden hatte.
Argyle verschloss seine Gedanken. Würde Miguel ihn erwarten? Sicher nicht. Er legte sich die Gedanken zurecht, die sein Enkel lesen durfte, dann klopfte er leicht an die Tür.
Argyle hörte die Aufforderung, einzutreten. Als er die Tür aufstieß, bot sich ihm ein merkwürdiges Bild.
Der Pater, von dem er annahm, dass es Comitti war, saß pudelnass und nur in einen Bademantel gehüllt auf einem Sessel. Miguel trocknete ihm die spärlichen Haupthaare und schimpfte ihn wie ein unartiges Kind.
»Wie konnten Sie nur auf solch einen Gedanken kommen, Comitti? Wäre ich eine Sekunde später hinzugekommen, dann wären Sie jetzt tot. Bedeutet Ihnen denn unsere gemeinsame Zukunft gar nichts?«
Miguel schloss Comittis Bademantel vor dessen Brust und seufzte. »Dieser hässliche lila Striemen um Ihren Hals. Den werden Sie nun immer haben. Er wird Sie daran erinnern, wie töricht Sie waren.« Miguel schüttelte bedauernd den Kopf und drehte sich zu Argyle.
Argyle war von der Fürsorglichkeit, die Miguel an den Tag legte, so überrumpelt, dass er gar nicht erst seinen Langdolch gezogen hatte. Er grüßte mit kurzem Nicken.
»Verzeiht diesen Aufruhr hier«, sagte Miguel und zeigte auf Comitti, der zusammengesunken und regungslos im Sessel saß. Argyle stutzte – reichte seine Entstellung aus, dass Miguel ihn nicht erkannte?
Miguel beachtete ihn nicht weiter, sondern tupfte ohne Unterlass an Comittis Gesicht herum. »Dieser Tropf hat es doch wirklich bevorzugt, sich das Leben zu nehmen, anstatt einer von uns zu werden.«
Argyle nickte. Er fragte sich gerade, ob es wirklich sinnvoll wäre, Miguel hier, in Comittis Zimmer, zu erledigen. Da Miguel nur ein halber Vampir war, würde es wahrscheinlich eine Schweinerei geben. Das wollte er dem armen Pater, der völlig verstört wirkte, nicht auch noch zumuten.
»Aber nun sagen Sie schon.« Miguel fuchtelte mit den Armen. »Aber Sie brauchen gar nichts zu sagen. Ihr Erscheinen kann nur eines bedeuten: Es ist erreicht. Das Elixier ist fertig.«
Comittis Augenbrauen zuckten.
Argyle sah von ihm zu Miguel und nickte. Jetzt musste er improvisieren. Er musste seinen Enkel irgendwie aus diesem Raum bekommen. Argyle merkte, dass Miguel eine Frage gestellt hatte und ihn aufmerksam musterte. »Verzeihung?«
»Macht nichts, macht nichts.« Miguel befand sich in Höchstlaune. »Ich habe gefragt, ob ich es heute schon injizieren kann und ob Sie mich ins Labor begleiten?«
Argyle nickte grimmig. Das lief ja besser als gedacht.
»Selbstverständlich. Das Elixier wartet auf Euch und es ist mir eine Ehre, Euch zu begleiten.« Argyle verneigte sich.
»Galant. Ein Vampir der alten Schule. Nun, darauf sollten wir anstoßen. Mein Freund Comitti wird noch ein wenig Zeit brauchen, um sich zu erholen. Ein Schluck Wein wird ihm helfen, seine Lebensgeister wiederzufinden.« Miguel trat hinter den Vorhang und holte erneut das Zahnputzglas. »Ich werde daraus trinken. Das kann ich einem Gast, der solch gute Botschaft bringt, nicht anbieten. Ihr nehmt derweil dieses«, Miguel zeigte auf das Glas, das schon seit Stunden unberührt auf dem Tisch stand. Argyle betrachtete es stirnrunzelnd.
»Ich hatte es mir schon eingeschenkt, es ist ganz frisch«, erklärte Miguel und drückte es Argyle in die Hand. »Kommen Sie mir nicht mit der Ausrede, ein Vampir könne keinen Wein trinken. Ich weiß, dass er es kann. Er schmeckt ihm nur nicht.« Miguel lachte gackernd, dann drehte er sich zu Comitti. »Comitti bekommt auch einen Schluck, dabei befürchte ich, dass ihm das Schlucken schmerzen wird. Nun sei es drum. Er hat es sich selbst zuzuschreiben.« Miguel schenkte sein Zahnputzglas und Comittis Glas randvoll. »Ich bevorzuge, mich ein wenig betrunken zu verwandeln. Dann wird mir die Zeit nicht so ernst und streng.« Miguel hob seinen Becher und sah von einem zum anderen. Argyle blickte das Glas an, das er in der Hand hielt und stutzte. Der Wein befand sich bereits länger im Gefäß, das konnte er an dem Kringel, der sich durchs Verdunsten gebildet hatte, erkennen.
Wie auch immer , dachte er und hob sein Glas.
Comitti blieb still sitzen.
»Der Arme. Nun, ich möchte auf eine neue Zeitrechnung trinken, darauf, dass sich endlich erfüllt, wonach ich mich schon seit Jahrhunderten sehne. Ich werde die Welt in eine bessere
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