Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
eine Armlänge über seinem Kopf war. Jetzt musste er nur noch ausrutschen.
Die letzten Gäste hatten sich verabschiedet. Maria war schon vor Stunden gegangen. Paolina schloss die Jalousien vor den großen Fenstern und sah sich um. Alles war in bester Ordnung. Alles, bis auf das, was sie angerichtet hatte. Es klopfte. Paolina hob den Kopf. »Wir haben geschlossen.«
»Auch für Raben?
»Argyle?« Paolina lief auf den Mann zu, der in der Eingangstür ihres Cafés stand. Sie fiel ihm um den Hals und ein Stein fiel ihr vom Herzen.
»Was machst du hier? Gerade jetzt? Ich habe so oft an dich gedacht. Gerade heute.«
Argyle nahm sich Zeit und sah sich um. Er betrachtete sie und fuhr lächelnd über ihr blaues Haar.
»Gerade heute?« Argyle zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin hier, weil mir in der letzten Zeit häufiger zu Ohren gekommen, dass der Meister sein Elixier bald fertig hätte. Ich nehme an, du weißt, um wen es sich bei dem Meister handelt?« Argyle setzte sich und zog seine Handschuhe aus.
»Um Miguel? Ist Miguel denn in Rom?«
»Richtig geraten, Hüterin«, Argyles Stimme troff vor Hohn. »Ich will überprüfen, inwiefern dieses Gerücht stimmt. Ist dir in der letzten Zeit etwas aufgefallen?«
Paolina sagte nichts. Sie versuchte, ihre Gefühle zu ordnen. Ihr Vater war gekommen, aber nicht wegen ihr, sondern wegen Miguel. Er benahm sich immer noch sonderbar und dabei war alles schon so lange her. Vierhundertdreizehn Jahre.
Sie seufzte. Ihre privaten Kümmernisse mussten jetzt hintenanstehen. »Ich kenne jemanden im Vatikan, der die letzten zwei Nächte nicht mehr aufgetaucht ist.«
»Zeig mir, was du zu berichten hast.«
Paolina sah Argyle tief in die Augen. Er konnte alle ihre Gedanken lesen. Alles sehen, was sie gemacht hatte.
»Du hast durch all die Jahre an den Vatikan geschrieben?« Argyles Stimme schwoll zu einem Donnern. »Was für eine einfältige Idee.« Er stand auf und begann mit seiner Wanderung.
»Jetzt nimmst du an, dass deine Post mit dem Verschwinden von diesem Comitti zu tun hat?«
»Ich denke, das Wichtigste wäre jetzt, herauszufinden, wer dieser Sicherheitschef ist. Ich habe es schon versucht, aber …«
»Warte einen Moment.« Argyle verließ das Café und kam nach einem Augenblick mit einer flachen Tasche zurück. Er stellte einen Laptop auf den Tisch und startete ihn.
»Du kannst mit diesen Dingern umgehen? Bei mir reicht es gerade, um ein paar E-Mails zu schreiben und meine Monatsabrechnung zu machen.« Paolina staunte.
»Nur wer sich in seinem Jahrhundert auskennt, der kommt darin nicht um«, murmelte Argyle und tippte vor sich hin. Dann stellte er den Laptop so, dass sie auch hineinsehen konnten. Er rief die offizielle Seite des Vatikans auf und erhielt die Mitteilung, dass diese Seite aufgrund Wartungsarbeiten nicht erreicht werden könnte.
»Meinst du, das hat etwas zu sagen?« Paolina rutschte auf ihrem Stuhl herum.
»Nicht unbedingt. Wir probieren es anders.« Argyle tippte und klickte. Es taten sich Seiten auf, von den Paolina noch nicht einmal wusste, dass sie existierte. Argyle scrollte sich durch interne Lagepläne und Karten, die die Vatikanstadt inklusive ihres Untergrunds darstellten.
»Woher kannst du so etwas?« Paolina zeigte auf die Seite, die sich gerade öffnete und die die internen Abrechnungsseiten des Vatikans enthielt.
»Ich hatte mal einen Bekannten, der war Hacker. Hat mir ein paar Kniffe gezeigt.« Argyle scrollte sich durch die Seiten. »Hier haben wir es: die Gehaltsabrechnungen der Angestellten. Dort sollte der Sicherheitschef auch aufgeführt sein.«
Sie beugten sich weiter vor und lasen die Reihen der Namen. Die Reihen mit den niedrigen Gehältern ließen sie links liegen. Ein Sicherheitschef mit seiner Verantwortung würde kaum ein niedriges Gehalt erhalten.
»Michail Arconoskij!« Argyle tippte auf den Namen.
Lange sagte niemand etwas.
»Das muss Miguel sein. Wie hat er es geschafft, sich an mir vorbei in den Vatikan zu schleusen? Michail Arconoskij. Miguel de Arco.« Paolina stöhnte auf.
»Er legt es darauf an, dass wir seinen Namen erkennen. Ist dir denn gar nichts aufgefallen?«
Paolina schüttelte den Kopf. »Nein, und das verstehe ich nicht. Ich muss blind gewesen sein.« Argyle legte seine Hand auf die ihre.
»Meinst du, er hat wirklich meine Zähne gefunden?«
»Das finde ich schon heraus«, murmelte Argyle zornig und schob seinen Stuhl zurück.
»Warte, Argyle! Du kannst nicht einfach in den Vatikan spazieren.
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