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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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dunkel.
    Ich beugte mich über Salvador, ertastete sein geschwollenes Gesicht, das sich wie Brotteig anfühlte, und streichelte es. Er bewegte sich und stöhnte. Ich versuchte, ihn in eine bequemere Position zu rücken, doch schon bei der kleinsten Bewegung schrie er leise auf.
    »Hör auf. Ich habe mir alle Knochen gebrochen.«
    »Aber ich muss doch irgendetwas tun!« Ich tastete den Boden ab, ob es irgendwo Wasser gab, doch der Mann hatte recht – der Brunnen war so trocken wie Wäsche im Sommerwind. Ich befühlte die Wände. Doch was glaubte ich, zu finden? Eine geheime Tür ins Paradies? Diese Tür würden wir bald genug finden.
    »Erzähl mir was, lenk mich ab«, sagte Salvador.
    Ich kauerte mich neben ihn – es war sehr eng und stickig – und beteuerte ihm, wie sehr ich ihn liebte. Dass der Graf morgen sicherlich ein Einsehen haben würde.
    An dieser Stelle unterbrach mich Salvador mit einem Kopfschütteln. Abgehackt erzählte er mir, wie er sich zunächst unwissend gestellt hatte, als er mit dem Grafen zusammentraf und wie er fast damit durchgekommen wäre. Mein Glücksbringer hatte ihn verraten. Louis war aufgefallen, dass er meinen Lieblingsschal trug. Der Graf höchstpersönlich hackte ihm die Finger ab. Finger für Finger, obwohl Salvador bereits nach dem Mittelfinger unseren Aufenthaltsort preisgegeben hatte.
    »Verzeih mir, Lucienne«, sagte er mit rauer Stimme.
    »Du bittest mich um Verzeihung? Ohne mich würdest du in Paris studieren. Warum nur habe ich dir den Schal gegeben?«
    Was soll ich weiter erzählen? Ich hielt seine linke Hand, die rechte wickelte ich in mein Kleid. Ich ordnete seine Haare, beteuerte ihm immer wieder, wie sehr ich ihn liebte. Im Morgengrauen starb er.
    Obwohl ich es erwartet hatte, saß ich wie erstarrt und versuchte, auf das zu lauschen, was nicht mehr da war: Salvadors Atem. Dafür hörte ich die Männer über mir und wie das Lager erwachte. Ich hob den Kopf und sah den blauen Morgenhimmel. Salvadors neue Heimat. Kurz hoffte ich, dass jemand ein Einsehen haben würde, dann wurde es still. Ich begriff, dass sie weitergeritten waren. Niemand würde mich retten.
    Ich schloss die Augen, dachte an Lisette und betete, dass Almadar stürbe. Dem Grafen wünschte ich einen grausamen Tod. Dann hoffte ich für Louis, dass es noch nicht zu spät wäre, ein besserer Mensch zu werden. Ich dachte an jeden, nur nicht an mich. Das verbot ich mir. Ich wäre wahnsinnig geworden. Einmal meinte ich, Stimmen zu vernehmen, und rief. Doch ich hatte mich geirrt. Es war der Wind, den ich schon als Kind geliebt hatte. Mir war trotz der kalten Nacht, die das Frühjahr noch mit sich brachte, nicht kalt, mir war aber auch nicht warm. Mir war, auch wenn es sich merkwürdig anhört, gar nichts. Ich war weder hungrig noch durstig. Ich war nur traurig, jedoch nicht verzweifelt.
     
    *
     
    »Das ist ja unglaublich.« Comittis Wangen waren gerötet. »Das arme Kind.« Er trank einen Schluck Wein, stand auf und öffnete das Fenster. Er brauchte dringend frische Luft und musste sich bewegen. Rom lag still und dunkel vor seinem Fenster. Er sah auf die Uhr. Es ging auf halb zwei zu. Er sog die abgekühlte Großstadtluft tief in seine Lunge.
    Arconoskij beobachtete Comitti. »Ihnen scheint Lucienne sehr ans Herz gewachsen zu sein.«
    »Ja, allerdings. Selbst, wenn es sich bei diesem Schreiben um einen Betrug handeln sollte. Dann möchte ich allerdings wissen, wer sich so was einfallen lässt! Das ist doch wirklich …« Comitti suchte nach einem passenden Ausdruck.
    »Ungeheuerlich?«
    »Gar nicht in Worte zu fassen.« Comitti ließ sich in seinen Sessel fallen. Es war ihm etwas peinlich, dass er sich aufregte, aber die Ruhe, die der Sicherheitschef ausstrahlte, ärgerte ihn. »Ist es Ihnen denn vollkommen gleich, wenn Sie so etwas hören? Wahrscheinlich stumpft Sie Ihr Beruf ab.« Mit diesem Kommentar wollte er Arconoskij aus der Reserve locken. Doch Arconoskij ließ sich nicht locken.
    »Vielleicht haben Sie mit dieser Vermutung recht, lieber Comitti. Meine Entspannung entspringt allerdings einem anderen Grund. Ich sehe, wie viele Seiten Sie noch vor sich liegen haben. Wie sollte diese Apollonia, oder ist es Lucienne, noch so viel zu berichten haben, wenn sie im Brunnen geblieben wäre? Ich bitte Sie.« Er sah den Pater liebenswürdig an. »Kein Grund, sich um die Heldin Sorgen zu machen. Der Held ist tot und das tut mir leid. Doch er hat seine Aufgabe erfüllt. Er kann abtreten.«
    »Also, Sie sind von

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