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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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einer Kaltschnäuzigkeit …«
    »Regen Sie sich nicht auf, Comitti, lesen Sie einfach weiter.« Arconoskij schlug die Beine übereinander und lehnte sich im Sessel zurück. Was er hörte, gefiel ihm. Comitti warf seinem Gegenüber einen letzten wütenden Blick zu, dann las er weiter.
     
    *
     
    Ich blickte nicht mehr nach oben. Das Licht und der Himmel erschienen mir zu grell. Die Dunkelheit war mir angenehm und trug mich in eine Art Trance. Tage und Nächte wurden eins. Ich zählte sie nicht. Eine Stimme versprach mir Rettung. Ich führte ein Zwiegespräch mit Gott und wartete, ohne zu wissen worauf.
     
    Dann hörte ich, wie jemand meinen Namen rief. Ich blinzelte. Spielte mir mein Verstand wieder einen Streich?
    »Ist sie tot?« Die Stimme kannte ich. Meine Sinne kehrten zurück.
    »Ich kann es nicht erkennen. Sie rührt sich nicht.«
    Ich spähte nach oben und hielt meinen Arm vor die Augen. Das Licht der Fackeln blendete mich.
    »Sie hat sich bewegt«, hörte ich eine fremde Stimme aufgeregt rufen. »Wir müssen zu ihr hinab.«
    »Das Seil ist nicht kräftig genug«, sagte ein anderer.
    »Sie wird nicht in der Lage sein, sich selbst in den Eimer zu stellen. Es grenzt an ein Wunder, dass sie überhaupt lebt.« Noch folgte ich der Diskussion, als ob es mich nichts anginge – erst, als ich erneut Lisette hörte, wurde ich aktiv.
    »Lucienne, kannst du dich in den Eimer stellen?« Ich sah nach oben und erkannte Lisette, die zu mir herabblickte. »Sonst komme ich und helfe dir«, hörte ich ihre entschlossene, mit einem Zittern unterlegte Stimme.
    Ich sah auf Salvadors Leichnam. Fliegen und Maden machten sich über ihn her. Jetzt erst nahm ich den Odem des Todes wahr. Lisette durfte das nicht sehen! Ich stand auf und konnte mich auf den Beinen halten. »Ich komme allein zurecht«, rief ich. »Ich brauche zwei Seile.«
    Salvadors leere Augenhöhlen starrten mich an, während ich seine Arme festknotete. Nie werde ich das Reißen und Gluckern vergessen, das sein Körper machte, als sie ihn nach oben zogen. Dann war ich an der Reihe.
    »Sie wiegt fast nichts«, hörte ich, als sie mich nach oben zogen. Ich blickte nach unten und wartete auf ein Glücksgefühl.
    »Kein Wunder«, knurrte ein anderer. Ich erreichte den Brunnenrand und musste die Augen schließen. Lisette ergriff meine Hand. Das Letzte, was ich merkte, war, dass sie scharf den Atem einsog.
     
    Als ich zu mir kam, lag ich auf einer Pritsche. Ich blinzelte. Es war Nacht, stellte ich erleichtert fest. Kerzenlicht fiel auf eine Nonne, die an meinem Lager mit leicht geöffnetem Mund schlief. Eine Haarsträhne war aus ihrer Haube gerutscht und ihr Doppelkinn ruhte auf ihrem mächtigen Busen. Ich setzte mich auf, um meine Umgebung zu betrachten. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Betstuhl. Keinerlei Schmuck oder Wandbehang, außer dem Kreuz, das in der Ecke hing. Bei seinem Anblick wurde mir schlecht. Ich schloss die Augen und sammelte mich. Als ich sie wieder aufschlug, blickte ich in die grauen Augen einer weiteren Nonne.
    »Du bist also erwacht«, sagte sie, kam um das Bett herum und reichte mir die Hand. »Ich bin Schwester Theresa.«
    Ihr Händedruck fühlte sich kühl und fest an. Dann tippte sie der schlafenden Schwester auf die Schulter. Grunzend wurde diese wach und zuckte zusammen. »Ich bin wohl …«, stotterte sie und blickte von mir zu Schwester Theresa. »Verzeiht.«
    »Ist gut, Dolores. Hol Suppe, sie wird hungrig sein.«
    »Jawohl, Mutter Oberin.« Die Nonne stürmte aus dem Zimmer. »Du bist ein Wunder, Kind, weißt du das? Hast du Schmerzen?«
    Ich hatte keine Schmerzen, ich hatte Fragen.
    »Aber sicherlich hast du Hunger und Durst.«
    Ich schüttelte den Kopf. Vorsichtig testete ich meine Stimme. Ich erwartete ein Krächzen, doch zu meinem Erstaunen klang meine Stimme klar und tief. »Wo ist Lisette?« Das war meine wichtigste Frage. Alles andere konnte später geklärt werden.
    Die Oberin lächelte. »Sie ist hier und es geht ihr gut. Sie hat nächtelang an deinem Bett gewacht. Gerade heute habe ich ihr befohlen, endlich zu schlafen.« Schwester Theresa lächelte. »Sie wird mir zürnen, wenn sie erfährt, dass du erwacht bist.«
    Ich nickte. O ja, Lisette würde empört sein. Ein Wort echote in meinem Kopf. »Nächtelang?« Ich schob meine Decke zurück. »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Mehr als zehn Nächte.« Schwester Theresa erhob sich und öffnete die Tür, bevor Schwester Dolores anklopfen konnte. Dolores erschrak und senkte ihre

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