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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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nicht bewegen, man hatte sie gelähmt. Ich verstellte mich.«
     
    *
     
    Comitti hatte die Fähigkeit, die viele Vielleser haben. Er las immer ein Stück im Voraus. Er las gerade den einen Satz laut, doch seine Augen wanderten schon über die nächsten Zeilen. So ließ er die zwei nächsten Sätze aus. Durch einen schnellen Blick über sein Brillengestell hatte er sich vergewissert, dass sein Gegenüber es nicht bemerkt hatte.
     
    *
     
    »Rosa hatte uns erkannt. Besser gesagt, sie kannte uns. Sie wusste, dass wir es waren, die Argyle infiziert hatten. Sie ließ den Saal räumen, um mit uns allein zu sein.
    Im allgemeinen Durcheinander ergriff ich die Flucht. Ich rannte aus dem Saal, zwischen den Beinen hindurch und hatte mich bald hoffnungslos verirrt. Ich schlang mir ein Tuch um den Kopf, damit niemand mich an meinen roten Haaren erkannte, und versteckte mich in einer Ecke. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wollte meinen Schwestern helfen, aber ich wusste nicht wie.
    Auf einmal legte jemand eine Hand auf meinen Mund. Es war ein Pater. Er bedeutete mir, leise zu sein, und führte mich auf eine Galerie. Ich weiß nicht, warum ich ihm vertraute. Aber ich dachte an euch und euren Glauben und folgte ihm.
    Von dieser Galerie aus konnte ich mitverfolgen, was Rosa meinen Schwestern antat. Sie malträtierte Isolde und Isadora mit einem glühenden Schürhaken, beschimpfte sie als Huren, die ihr ihren Mann weggenommen hatten, lachte und schien wahnsinnig geworden zu sein. Als sie das Interesse an Isadora verlor, warf sie sie ins Feuer.« Isabellas Stimme brach.
    »Du musst wirklich nicht weitererzählen.« Ich versuchte, die Elfjährige, die zwei Jahrhunderte gesehen hatte, davon abzuhalten, das Grauen erneut durchzustehen.
    Argyle sagte nichts. Er war wie erstarrt. Allein seine Backenmuskeln arbeiteten.
    »Isolde glühte vor Hass, da sie Isadora nicht hatte helfen können. Sie beschimpfte und verfluchte Rosa. Rosa nähte ihr den Mund zu. Mit Nadel und Faden. Daraufhin schrie Isolde ihren Hass in unseren dunklen Raum, ihren Hass, der sie von innen verbrannte. Diese Schreie weckten mich aus meiner Erstarrung.
    Du wirst nie wieder den Mann einer anderen Frau verführen, du Hure , schrie Rosa und rammte Isolde eine brennende Fackel zwischen die Beine.
    Da hielt ich es nicht länger aus.
    Ich sprang von der Galerie und landete auf Rosa. Der Geruch von verbranntem Fleisch und Irrsinn lag in der Luft. Rosa rollte sich unter mir weg und trat gegen Isoldes Stuhl. Isolde fiel so unglücklich, dass ihre Haare am Kamin Feuer fingen. Dieser entsetzliche Anblick lenkte mich einen Moment ab. Rosa nutzte ihn, um mit dem Schürhaken auf mich loszugehen. Ich sah mich nach einer Waffe um. Mein Blick fiel auf das Schwert über dem Kaminsims. Ohne einen Augenblick zu zögern, hieb ich Rosa den Kopf vom Rumpf.«
    Argyle setzte sich. »Du warst immer die Stärkste.«
    »Warum bin ich nicht eher gesprungen? Sie könnten beide leben!«
    Argyle und ich hatten keinen Trost.
    »Wenigstens fahren meine Schwestern nicht allein zur Hölle. Ich habe für Begleitung gesorgt.« Isabella nickte grimmig.
    »Hast du den Brand gelegt?«
    »Ja. Ich stieß eine Öllampe um. Die Vorhänge und Möbel waren knochentrocken. Binnen Sekunden stand der Saal in Flammen. Als die alarmierte Dienerschaft hereinkam, explodierte der Raum. Ich wurde durch die Explosion aus dem Fenster katapultiert und geriet in die flüchtende Menge.«
    Isabella rollte sich zusammen und verstummte. Ich blieb bei ihr sitzen und streichelte ihr Haar. Sie hatte Rosa getötet und ihre Schwestern auf bestialische Art verloren. Waren diese Opfer es wert gewesen?
    »Am besten, ich bring mich um«, murmelte ich und sah in die Nacht. Wenn ich mich umbrächte, würde wenigstens Miguel aufgehalten.
    Argyle sah mich entsetzt an. »Das darfst du noch nicht einmal denken, Apollonia! Das ist uns Christen verboten.«
    Er hatte recht. Doch ich war so müde, so unendlich traurig und erschüttert. Den Tod meiner Mutter verdrängte ich. Ich hatte sie nie kennengelernt. Alles, was ich je über sie gehört hatte, ließ mich schaudern. Ich ging zu Argyle und setzte mich neben ihn. Isabella war, wie ich glaubte, eingeschlafen.
    »Ich habe alles falsch gemacht.« Argyle rieb sich über die Augen. »Ich hätte sie nie infizieren dürfen, ich habe eine Bestie erschaffen! Aber wie konnte ich das wissen?«
    Wir nahmen uns bei den Händen. Ich fragte mich, wie Rosa die Weltherrschaft hatte an sich reißen

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