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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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älter war als ich, sah mir freundlich entgegen.
    »Der Herr steh uns bei!«, stieß ich aus.
    »Jetzt und für alle Ewigkeit, Amen«, antwortete der andere.
    Argyle und ich sahen ihn verblüfft an.
    »Lucienne, erkennst du mich nicht?«
    Ich verneinte. Er kam mir bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht einordnen. Er nahm seine Kapuze ab.
    »Ich bin es. Louis.«
    »Louis?« Ich starrte ihn an.
    »Dein Bruder. Oder, wie ich mittlerweile erfahren habe, nicht wirklich dein Bruder.«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. In dem Moment, da er seinen Namen gesagt hatte, war mir klar, dass er nicht log. Argyles Miene verfinsterte sich. »Du willst Louis sein? Beweise es.«
    »Mir muss er es nicht beweisen.« Ich lachte. Ich drehte mich zu Argyle. »Sieh ihn dir an, jetzt ist er älter als ich. Mein kleiner Bruder.« Tausend Fragen schossen durch meinen Kopf, tausend Gefühle, die ich gar nicht so schnell einordnen konnte.
    Ich beäugte meinen Bruder. Es war merkwürdig, ihn auf einmal als erwachsenen Mann vor sich stehen zu haben. Ich bemerkte, dass er eine Tonsur trug. »Bist du Pater?«
    »Ja, ich nenne mich Laurentius, seit ich fünfzehn bin.«
    »Du folgst uns schon länger«, knurrte Argyle.
    »Seit Andorra, um genau zu sein. Ich habe Lucienne sofort erkannt und eure Nachhut gebildet. Sonst ist euch niemand gefolgt.«
    Argyle blieb misstrauisch. »Was hattest du als Mönch in Andorra zu suchen?«
    »Ich werde es euch erzählen. Es ist weit bis Bengasi. Wenn ihr meine Geschichte nicht glaubt, dürft ihr mich jederzeit über Bord werfen. Versprochen.« Schalk blitzte in seinen Augen auf und erinnerte mich an den frechen, kleinen Jungen, den ich zuletzt gesehen hatte.
    »Wo schläfst du?«, fragte ich ihn, da sich der Morgen ankündigte.
    »Nicht so komfortabel wie ihr.« Laurentius grinste. »Meine finanziellen Mittel sind, freundlich ausgedrückt, recht bescheiden.«
    »Wir sehen uns morgen.« Argyle öffnete die Tür zu den Kabinen.
    »Du kannst ihn doch nicht einfach stehen lassen!«
    »Lass gut sein, Lucienne. Ich komme morgen wieder.« Laurentius schlug ein Kreuz über uns und verschwand in der Dunkelheit.
    »Was ist denn in dich gefahren? Meinen Bruder so zu behandeln!« Ich legte mich auf meine Koje und drehte Argyle empört den Rücken zu. Wie konnte mein Vater so unfreundlich zu meinem kleinen Bruder sein? Kleiner Bruder , dachte ich lächelnd und schlief ein.
     
    In der nächsten Nacht trafen wir uns auf Deck und machten es uns auf Kisten gemütlich. Die Seeluft war erfrischend und ich genoss die Nacht. Der Himmel war klar, tausend Sterne sahen auf uns herunter und ich war aufgeregt wie ein kleines Kind.
    »Lisette erzählte mir, dass du gefallen seist. Sie hat dich nach dem Kampf nicht mehr gesehen und war der Meinung, du seist tot«,  redete ich auf Laurentius ein, kaum, dass er saß.
    Laurentius seufzte und schloss die Augen. Es schien ihm schwerzufallen, über das Thema zu sprechen. »In einem hat sich Lisette auch nicht geirrt. Der Junge, der sich damals Louis nannte, ist an dem Tag gestorben. Gleich am Anfang des Kampfes zwischen de Segura und Vater bekam ich einen Schlag auf den Kopf. Ich schleppte mich zwischen Sträucher und bin dann ohnmächtig geworden. Als ich zu mir kam, war ich allein. Ich fand Gräber vor, wusste aber nicht, ob Vater auch tot war. Neun Jahre zählte ich, befand mich in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht sprach, und besaß nichts mehr, außer den Kleidern, die ich am Leibe trug.«
    »Scheint sich nicht geändert zu haben«, sagte Argyle spöttisch.
    »So fanden mich Mönche.« Ohne auf den Seitenhieb einzugehen, fuhr Laurentius fort. »Ich erzählte ihnen meine Geschichte, und sie erlaubten mir, bei ihnen zu bleiben. So wurde das Kloster, genau wie bei dir, mein neues Zuhause. Ich lernte lesen und schreiben und arbeitete in der Schreibstube. Beim Kopieren der Werke hatte ich Zeit mir Gedanken zu machen und zu bereuen. Mit fünfzehn nahm ich den Namen Laurentius an und wurde Lehrer.«
    »Lehrer!« Ich dachte an den Grafen und was er davon halten würde. »Aber wie bist du zum Vampyr geworden? Liegt denn ein Fluch über dieser Familie?« Ich schüttelte den Kopf. Argyle schwieg und schien ihm immer noch nicht zu trauen.
    »Ein Schüler von mir hatte Fähigkeiten, die weit über die normalen menschlichen Anlagen gingen. Ich war fasziniert und hatte einen Plan. Wenn ich diesen Jungen dazu bringen konnte, für Gott zu streiten, dann hätte ich meine Aufgabe auf dieser Welt

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