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Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Titel: Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Leitzmann
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und Wohlfahrt durch naturgemäße Lebensweise im Sinne des Vegetarianismus“ darstellte. Baltzer verknüpfte in seinen Theorien religiöse, moralische, politische, volkswirtschaftliche und gesundheitliche Motive, beschrieben in seinem Werk
Die natürliche Lebensweise.
Durch Publikationen und Schriften sollten die Menschen von einer vegetarischen Lebensweise überzeugt werden. Für Baltzer war der Vegetarismus eng mit einer sozialen Utopie der Entstehung eines neuen und höheren Menschengeschlechtsverbunden, das sich durch Meiden des Verzehrs von Fleisch und eine naturgemäße Lebensweise „zum Wahren, Guten und Richtigen“ entwickelt, um sich schließlich „Gott zu nähern“. Außerdem sah er in der vegetarischen Kost auch die Möglichkeit, soziale Mißstände zu ändern: Da die pflanzliche Kost billiger sei als tierische, solle sich die ärmere Bevölkerungsschicht vegetarisch ernähren, um Not zu beseitigen und die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu verringern.
    Zahlreiche lokale Vereinsgründungen von Vegetariern folgten in den nächsten beiden Jahrzehnten, insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten. Im Jahre 1884 gab es bereits elf lokale Vegetarier-Vereinigungen in Deutschland. Die beiden bedeutendsten Vegetarier-Vereine schlossen sich 1892 in Leipzig zum
Deutschen Vegetarier-Bund
zusammen. Bald darauf wurde 1908 in Dresden die
Internationale Vegetarier-Union
gegründet, die seitdem regelmäßig internationale Kongresse veranstaltet.
    Aufgrund der steigenden Nachfrage von Vegetariern nach naturbelassenen Lebensmitteln entstanden seit 1887 mit dem Berliner Versandhaus Carl Braun die ersten Reformwarenläden sowie vegetarische Restaurants. Die erste vegetarische Gaststätte in Deutschland wurde 1871 vermutlich unter Mitwirken von Richard Wagner (Komponist, Deutschland, 1813–1883) in Bayreuth eröffnet.
    In England entwickelte sich der organisierte Vegetarismus etwas früher, denn bereits 1847 wurde die
English Vegetarian Society
gegründet.
    In Nordamerika gilt Sylvester Graham (Priester, USA, 1794–1891), Erfinder des nach ihm benannten „Grahambrots“, als einer der Begründer der modernen Gesundheitsbewegung. Graham setzte sich vehement gegen den Konsum von Alkohol und anderen Genußmitteln ein und propagierte eine vollwertige, vegetarische Ernährungsweise. Auch der Name der Adventistin Ellen White (Lebensreformerin, USA, 1827–1915) ist eng mit der Verbreitung der vegetarischen Idee in Nordamerika verbunden. Als Mitbegründerin der religiösen Gemeinschaft der Adventisten vom Siebenten Tage war sie nach den Wortender Bibel davon überzeugt, daß der Körper des Menschen den „Tempel Gottes“ darstellt und nicht durch ungesunde Speisen, Fleisch, Alkohol, Tabak und andere Anregungs- und Genußmittel verunreinigt werden darf. Ein weiterer prominenter Vertreter der Adventisten war der Vegetarier John Harvey Kellogg (Arzt, USA, 1852–1943), Erfinder der gleichnamigen Cornflakes und Autor zahlreicher Gesundheitsschriften.
    Heute ernährt sich etwa die Hälfte der weltweit auf zwei Millionen geschätzten Adventisten lakto-ovo-vegetarisch. Ihre Intention für das Vorantreiben vegetarischen Gedankenguts ist jedoch mehr durch gesundheitliche und theologische als durch ethische Fragen geprägt.
3. Aktuelle Situation
    Nachdem der
Deutsche Vegetarier-Bund
1935 durch seine Mitglieder aufgelöst wurde, um der bevorstehenden Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten zuvorzukommen – 1934 hatte das Hitler-Regime die
Deutsche Gesellschaft für Lebensreform
gegründet und die bestehenden vegetarischen Vereine als
Baltzer-Bund
eingegliedert –, war der organisierte Vegetarismus in Deutschland vorerst beendet. Der Mythos, daß Hitler angeblich selbst Vegetarier war (trifft aber nicht zu), kam den Vereinen keineswegs zugute. Zwar gab es innerhalb der Lebensreform Vertreter mit rassischem oder völkischem Gedankengut, und auch faschistische Ideale wie Reinheit, Athletik, Natürlichkeit und körperliche Schönheit konnten auf den damaligen Vegetarismus zumindest teilweise projiziert werden. Die pazifistische und ethische Grundüberzeugung des Vegetarismus war jedoch mit dem Nationalsozialismus nicht in Einklang zu bringen.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine rasche Neuorganisation ein. Bereits 1946 entstand die
Vegetarier-Union

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