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Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Titel: Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Leitzmann
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Industrialisierung
    Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand der Vegetarismus schließlich neue Impulse und erreichte in Europa und den USA erstmals eine breitere Öffentlichkeit. Mit der „Industriellen Revolution“, die ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien hatte, begann für die Staaten Westeuropas und Nordamerikas ein dramatischer Veränderungsprozeß.
    Als Gegenströmung zu den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen der Industrialisierung, die sowohl Körper als auch Psyche der Menschen in Mitleidenschaft zogen, entstand imausgehenden 19. Jahrhundert die
Lebensreform-Bewegung.
Die Vertreter dieser Bewegung stellten ein neues Verhältnis des Individuums zur Natur und zur Gesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen. Ihren Ursprung hatten diese Überlegungen im Naturalismus, der mit der Devise
Zurück zur Natur!
beschrieben werden kann. Als geistiger Vater dieser Strömung gilt Jean-Jacques Rousseau (Philosoph, Frankreich, 1712–1778), der eine Erziehung zu einem einfachen, naturverbundenen Leben forderte, bereits frühe Kritik an der Schulmedizin übte und eine vegetarische Lebensweise propagierte.
    Auf der Basis des Naturismus umfaßte die Lebensreform-Bewegung alle Lebensbereiche. Innerhalb der Lebensreform übernahmen vor allem Vertreter der Naturheilkunde eine Vorreiterrolle. Bereits im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert gaben Christoph Wilhelm Hufeland (Arzt, Deutschland, 1762–1836), Samuel Hahnemann (Arzt, Deutschland, 1755–1843) oder Vinzenz Priessnitz (Landwirt und Naturheilkundiger, Deutschland, 1799–1851) erste Impulse für eine naturgemäße Lebens- und Heilweise.
    Oftmals ergänzten sich Forderungen aus der Lebensreform und der Naturheilkunde gegenseitig. So empfahlen Vertreter der Naturheilkunde vegetarische Kost zur Unterstützung der natürlichen Therapiemethoden und sahen die fleischlose Ernährung als wesentlichen Bestandteil des Heilprozesses bzw. der Krankheitsprophylaxe an. Ein wichtiger Wegbereiter dieser engen Verbindung von Naturheilkunde und vegetarischem Gedankengut war Theodor Hahn (Apotheker, Deutschland, 1824–1883). In dem Werk
Die naturgemäße Diät, die Diät der Zukunft
legte Hahn seine Erkenntnisse von richtiger Ernährung und gesunder Lebensweise dar. Oft wird er auch als der erste Vegetarier in der Naturheilkunde bezeichnet. Max Bircher-Benner (Arzt, Schweiz, 1867–1939) verordnete seinen Patienten pflanzliche Rohkost und ging damit neue Wege der Ernährungstherapie. Auch heute noch besteht ein enger Zusammenhang zwischen vegetarischer Ernährung und Naturheilkunde, denn besonders Vegetarier bevorzugen natürliche Heilmethoden.
    Innerhalb der Lebensreform-Bewegung nahm die vegetarische Lebensweise eine wichtige, wenn auch nicht zentrale Position ein. Entscheidend für die beginnende Kritik des modernen menschlichen Ernährungsverhaltens war der Wandel im 19. Jahrhundert. Die rasante Technisierung umfaßte nicht nur die Herstellung von Gebrauchsgütern, sondern auch die Nahrungsmittelproduktion.
    Der seit 1850 stetig zunehmende Fleischkonsum und die parallel dazu steigende Zahl an Zivilisationskrankheiten gaben schließlich Anlaß zu Kritik an der modernen Lebensweise. Diese Kritik sowie die Betonung einer gesunden und vollwertigen Ernährung war der Ansatz der Ernährungsreform, die wiederum stark vegetarisch geprägt war. Allerdings waren viele ihrer Anhänger in erster Linie gesundheitlich orientiert und weniger ethisch-moralisch motiviert.
    Wie auch andere Reformbewegungen verstand sich der moderne Vegetarismus als Strömung, die eine breite Öffentlichkeit erreichen wollte. Die neuen technischen Möglichkeiten, über Zeitschriften, Flugblätter und Bücher die vegetarische Idee zu verbreiten, gaben der Bewegung einen bis dahin unbekannten Auftrieb. Auch die entstehende rege Vereinstätigkeit, ein im 19. Jahrhundert auftauchendes neues Phänomen der Organisation privater Interessen, verstärkte diese Tendenz.
    Der freireligiöse Eduard Wilhelm Baltzer (Theologe und Demokrat, Deutschland, 1814–1887) gründete im Jahre 1867 im nordthüringischen Nordhausen zusammen mit vier (!) Mitstreitern schließlich den ersten vegetarischen Verein Deutschlands, den
Verein für natürliche Lebensweise,
dessen Ziel insbesondere „die Pflege der Gesundheit

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