Vellum: Roman (German Edition)
ihn auf den Rücken. Die Leiche ist vollkommen erhalten, sie gleicht mehr einer Statue als einem Toten — das Stein gewordene Abbild erotischer Gelassenheit. Mein trockener Hals, meine schwellenden Hoden, meine Erektion, mein Herzrasen — ich weiß nicht, ob ich meine Angst und mein Verlangen auseinanderhalten kann. Es ist krank, davon bin ich überzeugt, aber schließlich habe ich nicht entschieden, dass ich... nun, ihr wisst schon ... und es ist auch in Ordnung, behaupten sie jedenfalls ... vor langer, langer Zeit an einem Ort weit, weit weg.
Langsam öffnet sich die Faust, und in ihr liegt ein kleines silbernes Kästchen — ein Feuerzeug, das er wie einen Talisman umklammert hielt.
Eine ordentliche Mahlzeit
Sie schließt ihre Hand um das Zippo.
»Was möchtest du trinken, Schätzchen?«
»Eine Limonade«, sagt sie.
Wenn sie nur ein Bier bestellen könnte – Himmel, wie sehr sehnt sie sich nach einem Bier! Aber sie ist mit dem Motorrad unterwegs, es steht draußen auf dem Parkplatz. Da kann sie sich nicht damit herausreden, jemand anderer werde fahren ... außerdem hat sie sowieso niemanden, der sie nach Hause bringen könnte. Geschweige denn ein Zuhause, das auf sie wartet. Nur ein Motelzimmer. Wieder einmal. Eigentlich ist sie ganz froh, dass McDowell ein ›trockener Bezirk‹ ist; obwohl sie sich fragt, wie man einen Bezirk ›trocken‹ nennen kann, wenn Ivans Bier auf der Karte hat, in Flaschen und vom Fass. Scheiße, hier gibt es sogar Guiness – Finnan wäre begeistert. Und erst die Tankstelle drüben neben dem Comfort Inn mit ihren wandhohen Kühlschränken voller Bud und Millar und dergleichen mehr! Aber sie muss trocken bleiben; nicht nur wegen der Fahrerei.
»Haben Sie sich entschieden?«
Sie bestellt ein Filet Mignon und vorab einen Caesar-Salat. Nachdem sie sich durch die mit Salatsoße beträufelten Croutons geknabbert und das Grünzeug weggemampft hat, das die halbe Zeit regungslos an ihrer Gabel in der Luft hing, während sie zuschaute, wie die New Jersey Devils einen Puck nach dem anderen ins Netz beförderten – nachdem sie also mit ihrem Salat fertig ist und das Besteck auf ihre Serviette legt, weil sie es noch für den Hauptgang braucht, kommt die Kellnerin mit einem Ribeye Steak, einem riesigen Stück roten Fleisches mit einem Berg Bratkartoffeln und roten Zwiebeln. Es sieht gut aus, und der Speisekarte kann sie entnehmen, dass es sich um die Spezialität des Hauses handelt. Deshalb ist es ihr ein wenig peinlich und sie gibt sich größte Mühe, nicht unfreundlich zu wirken, als sie die Kellnerin noch einmal herbeiwinkt, um ihr zu sagen, dass sie das nicht bestellt habe, es täte ihr leid.
Fünfzehn, zwanzig Minuten später bekommt sie ihr Filet Mignon. Weitere Entschuldigungen und ein gutmütiges Lächeln auf beiden Seiten – soll ich nachschenken?
»Ja, gerne.«
Die Kellnerin füllt das Glas aus einem durchsichtigen Plastikkrug.
Das Filet schmeckt großartig.
Nach dem Essen lehnt sie sich zurück. Ihr Bauch ist zum Bersten voll und sie ist wunderbar satt – wie gut eine ordentliche Mahlzeit doch tun kann. Ordentlich ist so ziemlich alles in dieser Gegend des Vellum. Alle Esslokale, an denen sie bisher vorbeigekommen ist, passten pefekt in diese Umgebung, in diese Zeit und in diesen Raum – lauter Hardy’s und Wendy’s, hier ein Taco Bell, dort ein Pizza Hut – von den Moondoggy’s, die alle eingerichtet waren wie in den Fünfzigern, ganz zu schweigen. Einmal hat sie angehalten, um die Speisekarte im Fenster eines Japaners zu lesen, und da musste sie feststellen, dass es dort eigentlich nur eine einzige Art von Gericht gab, allerdings mit unterschiedlichen Fleischsorten: kurz angebratene Garnelen mit Reis, kurz angebratenes Huhn mit Reis, kurz angebratenes Rindfleisch; oder Garnelen mit Huhn, Huhn mit Rind, Rind mit Garnelen. Keine Miso-Suppe, kein Tempura-Menü, kein Sushi.
Das Ivans bietet auch nicht unbedingt internationale Küche, aber wen interessiert das? Sie wissen, wie man ein Steak zubereitet, außen stark angebraten, innen blutrot – zartes Fleisch von jungen Angusrindern, die auf den saftigen Weiden einer Gegend gehalten werden, die feuchter ist, als man erwarten würde, wenn man das Hochland um die Blue Ridge Mountains nicht kennt.
In letzter Zeit isst sie ziemlich viel rotes Fleisch; sie kann nicht genug davon bekommen.
Sie fährt sich mit der Hand über den vollen Bauch, der sich ganz leicht wölbt.
Da wird ihr
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