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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Ort?«
    »Und Sie halten mich für scheißverrückt?«
    »Sie brauchen Hilfe, Jack. Sie müssen sich eingestehen, dass Sie krank sind, damit wir Ihnen helfen können. Sehen Sie nicht selbst, dass Sie dieses ›Imperium‹ erfunden haben, um Ihre Ängste zu rechtfertigen, Ihre Unsicherheit, Ihre Scham, Ihr Selbstmitleid?«
    »Ich könnte Ihnen dieselbe Frage stellen. Ihnen allen. Sie sind mit Psychosen vertraut, Doktor. Sie müssten die Symptome eigentlich erkennen. Größenwahn. Religiöser Fanatismus. Paranoide Gewalt. Für mich klingt das wie eine gute Beschreibung unserer heutigen Gesellschaft.«
     
    Starn streicht mit dem Finger über das Trackpad des Laptops. Die Maus bewegt sich über den Bildschirm, aber eigentlich geschieht das völlig absichtslos, er möchte seiner Hand nur etwas zu tun geben, während er nachdenkt. Die schizophrene Weltsicht ist nie gänzlich unbegründet, das weiß er; er hat sich mit einer Arbeit über paranoide Wahnvorstellungen als symbolische Repräsentationen einer feindseligen Welt einen Namen gemacht. Aber dieser schizoide Kerl ist sich der Grenzen zwischen Phantasie und Realität nur allzu bewusst. Er macht ihm nichts vor, aber seine Psychose hat ihn auch noch nicht gänzlich in ihrer Gewalt, da ist Starn sicher.
    »Sie reden von Mammon und Moloch, Jack, aber ich glaube, dass Sie über etwas anderes sprechen und das auch wissen. Sie reden über das Imperium, aber ich glaube, Sie wissen, dass das ›Imperium‹ im eigentlichen Sinn nicht existiert.«
    »Wie wirklich sind Ihre Träume, Doktor?«
    »Träume sind nicht wirklich, Jack.«
    »Ich bin es.«
     
     
    Der Abgrund
    Operativer Vorgang: Schizophreniehypothese verifizieren; Anfang suchen.
    Erzählstrom aufgespürt .
    »Jack, du spinnst doch. Du bist völlig verrückt.«
    Er keucht, kommt langsam wieder zu Atem, reibt sich die roten Flecken, wo sich die Finger in seinen Hals gegraben haben, und grinst. Er hat bewiesen, dass er Recht hatte.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht umbringen kannst. Dass du kneifen würdest.«
    »Klar, aber das heißt noch gar nichts.«
    Jack könnte es nicht erklären, aber irgendwo tief in seinem Inneren ist er überzeugt, dass es doch etwas bedeutet. Vielleicht ist er ja verrückt. Manchmal kommt er auf komische Gedanken — dass er ein Außerirdischer ist oder ein Androide, Luzifer oder Jesus. Und diese Scheißstadt kommt ihm an manchen Tagen wirklich wie die Hölle vor, als sei er an ein Scheißkreuz genagelt. Aber er ist klug genug zu wissen, dass das Wahnvorstellungen sind, ebenso wenig real wie dieser Jack Flash, den er fast ohne es zu wollen immer wieder in seine Schulbücher kritzelt oder von dem er nachts träumt — er hat Haare wie Feuer.
    Aber er ist auch klug genug zu wissen, dass Wahnvorstellungen nicht grundlos sind, dass irgendetwas in seinem Kopf ihm etwas klarmachen will.
    Du kannst nicht sterben.
     
    Er versucht zu verstehen, was sein verrücktes, beschissenes Ich ihm da mitteilen will, aber er wird einfach nicht schlau daraus.
    Alles Quatsch, denkt er. Jeder stirbt. Er könnte seine Scheißschulkrawatte nehmen, eine Schlinge daraus knüpfen und sich am nächstbesten Deckenhaken aufhängen, wenn er das wollte ... wenn er den Mumm dazu hätte. Und er will es wissen. Er will wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Er will wissen, ob dieser ganze Quatsch über die Ewigkeit wahr ist. Aber das ist doch unmöglich, nicht wahr? Es gibt keinen Himmel, keine Hölle, keinen Gott, keinen Teufel, keine Engel.
    Er reibt sich den Nacken. Er hat Joey bewiesen, dass er es ernst gemeint hat, dass ihm alles scheißegal ist, dass er dem Tod gegenübertreten und ihm ins Gesicht spucken kann — soll er doch seine Sense schwingen! Aber es gibt keinen Tod, nicht so jedenfalls.
    Und plötzlich — das ist nur Sauerstoffmangel — wird ihm ganz benommen — der Sauerstoff strömt in seinen Kopf zurück — und die Welt verschwimmt und wackelt und —
     
    Guy beugt sich über ihn.
    »Jack, wach auf. Jack! Verdammte Scheiße. Alles in Ordnung?«
    Er liegt der Länge nach da und blickt zum Himmel hinauf, der sich klar und blau über ihm erstreckt, wolkenlos, nur die goldene Sichel der Sonne wirft ihr Dämmerlicht. Er spürt die Erde unter seinem Rücken, von dunklem Lehm gesättigt und mit feuchtem grünen Gras bedeckt. Rote, goldene und orangefarbene Blätter wehen über seine Hände.
    Dann beugt sich Guy noch weiter zu ihm hinunter. Er sieht viel älter aus, als er ist, als gäbe es

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