Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
Vom Netzwerk:
unter der Oberfläche einen anderen Guy, einen älteren, und der flüstert ganz leise: »Zeit, aufzuwachen, Jack Flash.«
     
    Er wacht plötzlich auf, wird unvermittelt aus dem Zwischenreich gerissen, in dem er sich befand — halb träumte er, halb dämmerte er vor sich hin. Er schaut sich im Schlafzimmer um, aber da ist nichts. Ein greifbares, sichtbares Nichts lauert in der Finsternis. Nichts hat ihm gerade seinen Namen zugeflüstert, mitten in der Nacht.
    Es bewegt sich durch das Zimmer, ein kaltes, totes Etwas — nein, das Gegenteil, die Abwesenheit von etwas, ein Abgrund, der in ihn hineinblickt.
    Er steht auf und geht durch das Zimmer, eher fasziniert als ängstlich. Das Licht lässt er aus, für den Fall, dass dieses Gefühl — dieses geradezu körperliche Gefühl — von Nichts dadurch zerstreut wird. Es ist, als würde sich ein Geist über ein Grab beugen, auf dem sein Name steht, ein Traum, der aus seinem Kopf heraus in die Welt getreten ist — nein, ein Traum, der aus der Welt heraus in seinen Kopf getreten ist. Vielleicht bildet er sich das alles auch nur ein, aber es fühlt sich nicht so an. Es fühlt sich an, als würde sich jemand anderer das alles einbilden.
    Und dann wird Nichts zu etwas. Zu ihm.
    Und Jack Flash spürt seinen neuen Körper und er weiß, dass alles gut ist.
    »Scharf«, sagt er.
     
     
    Das Imperium, das nie unterging
     
    Es klopft. Die Tür geht auf und Starn schaut die Beamtin an, verärgert über die Unterbrechung. Die Frau steht einfach nur da, eine große braune Aktenmappe in der Hand, und wartet schweigend. Starn nickt.
    »Tut mir leid, entschuldigen Sie mich für einen Augenblick.«
    Er verlässt das Zimmer und schließt leise die Tür hinter sich.
    »Sie haben etwas gefunden?«
    »Nun, ja und nein. Wir sind auf etwas gestoßen, als wir sein Foto durchs Raster gejagt haben. Aber ich weiß nicht, ob uns das weiterhilft.«
    Sie reicht Starn die Akte.
    »Haben wir einen Treffer gelandet? Ein Name wäre sehr hilfreich. Irgendeine Vorstellung, woher er kommt.«
    »Nun, da liegt der Haken«, sagt sie. »Denn es verrät uns nicht viel darüber, woher er kommt.«
     
    Starn öffnet die Mappe. Darin befindet sich nur der Ausdruck einer alten Schwarzweißfotografie. Das Gesicht erkennt er sofort, auch wenn die Grautöne an den Rändern des eiförmigen Rahmens verschwimmen und verblassen, auch wenn er eine spitz zulaufende Kappe trägt und die Miene eines Mannes zur Schau stellt, der – ganz im Unterschied zu seinem Doppelgänger im Verhörzimmer – ganz Herr der Lage ist. Die Haare sind über den Ohren kurz geschnitten. Die Lippen zu einem Lächeln verzogen, das ganz leicht ironisch wirkt, distanziert. Die Augen funkeln durchdringend.
    »Offensichtlich ein Verwandter«, sagt Starn. »Wer ist das?«
    »Hauptmann Jack Carter«, sagt sie. »Ein Offizier der englischen Armee. Ist ein paar Jahre nach dem ersten Weltkrieg im Kaukasus verschwunden. Seine Verlobte ist nach Amerika emigriert. Keine Geschwister, soweit wir wissen. Ehrlich gesagt könnte das auch nur ein Zufall sein ... aber ...«
    »Aber was?«
    »Nun, seine Männer haben ihn für ein Original gehalten. Sie haben Mad Jack Carter zu ihm gesagt. Und ›Mad Jack« scheint mir eine recht zutreffende Charakterisierung unseres Jungchen da drin. Aber wie ich schon sagte, es könnte auch Zufall sein ...«
     
    »Und das alles haben Sie gespeichert? Ist das nicht schon etwas über das Verfallsdatum?«
    »Wir haben eine Menge gespeichert, Dr. Starn. Wir leben im Informationszeitalter. Man weiß nie, wann das kleinste Fitzelchen von entscheidender Bedeutung ist.«
    Starn nickt gedankenverloren. Heutzutage ist es leicht, paranoid zu werden. DNA-Analysen. Gesichtserkennungssoftware. Videoüberwachung. Computerlesbare Personalausweise. Nimmt man das alles zusammen, hat man die Welt, vor der sich sein Patient so sehr fürchtet  – eine Welt, in der jeder unter ständiger Beobachtung steht, in der jedem misstraut wird und in der sich niemand der staatlichen Kontrolle entziehen kann. Wenn ihm die Kameras durch die Stadt folgen können, warum sollen sie – die geheimnisvollen ›sie‹ – nicht über vergleichbare Technologien verfügen, um ihm in seinen Kopf hinein zu folgen? Gedankenkontrolle mittels Mikrowellen oder etwas in der Art. So denken schizophrene Menschen doch, nicht wahr? Er schiebt das Bild wieder in die Mappe.
    »Ich werde mal ausprobieren, ob der Name bei ihm eine Reaktion auslöst.«
    »Noch etwas«, sagt

Weitere Kostenlose Bücher