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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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sie.
    »Was denn?«
    »Auf dem Revier in der Patrick Street ist ein alter Mann aufgetaucht  – dem Anschein nach völlig senil, aber er behauptet, er habe das Bild unseres Verdächtigen in den Nachrichten gesehen und kenne ihn. Er sei einem Kerl, mit dem er in Spanien gekämpft hat, wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich denke mal, er meint den zweiten Weltkrieg, auch wenn ich immer gedacht habe, Spanien sei da neutral geblieben.«
    Starn zuckt mit den Schultern.
    »Geschichte gehört nicht zu meinen Stärken.«
    Sie lächelt – ich weiß, was Sie meinen .
    »Jedenfalls«, fährt sie fort, »ich hätte es gar nicht erwähnt, wenn der wachhabende Kollege den Namen nicht an uns weitergeleitet hätte.«
    »Und?«
    »Nun ja, er hat gesagt, unser Mann heiße Jack Carter.«
     
    Starn öffnet die Mappe erneut und betrachtet die Fotografie, während er mit dem Finger ungeduldig dagegentrommelt. Ein junger Soldat aus einem längst vergangenen Zeitalter – aus einem imperialen Zeitalter. Das Imperium ist nie untergegangen . Aber die Ähnlichkeit ist wirklich erstaunlich, denkt er. Das muss sein Großvater sein oder sein Urgroßvater. Sein Großonkel?
    »Sind Sie sicher, dass er keine Geschwister hatte?«
    »Soweit wir wissen, habe ich gesagt. Das ist nicht dasselbe.«
    Er nickt, die Hand auf dem Türknauf. Er möchte unbedingt wieder hinein und das Gespräch fortsetzen. Die Beamtin legt die Hand auf die Tür und den Kopf schief – unter uns gesagt, völlig inoffiziell ... »Also«, sagt sie leise. »Was für einen Eindruck haben Sie bisher? Er macht uns etwas vor, nicht wahr?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Das lässt sich jetzt noch nicht sagen. Jedenfalls nicht mit Bestimmtheit.«
    Ihre Hand ruht immer noch auf der Tür. Starn weiß, dass es einige Verletzte gegeben hat, als der Mann festgenommen wurde. Ein Polizist ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
    »Keine Sorge«, sagt er. »Ich werde nicht zulassen, dass er dem Henker entgeht.«
    Sie nimmt die Hand fort, und er dreht den Knauf, hält inne.
    »Eine Frage: Haben Sie jemals von jemandem oder von etwas gehört, das ›Guernica‹ heißt?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Warum?«
    »Nur etwas, das unser Jungchen gesagt hat.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Wahrscheinlich nicht weiter wichtig.«

Errata

 
     
    Hier ist etwas Schreckliches vorgefallen
     
    Ich betrachte den Boden unter meinen Füßen, fahre mit dem Zeh über die dünne Staubschicht, um den rauen Rand einer Betonplatte freizulegen. Dann schweift mein Blick zu Puck, der an einem Busch zerrt. Er versucht mit ganzer Kraft, ihn auszureißen. Der Mutterboden ist hier besonders dünn, und die Steinpfosten und geschmolzenen Plastikspitzen, die aus dem Gestrüpp ragen, fallen noch mehr ins Auge als auf der Steppe, die wir hinter uns gelassen haben. Unseren Weg über das unebene Gelände müssen wir uns mit Bedacht suchen und die pneumatische Federung des Wagens zischt jedes Mal zornig, wenn sie versucht, die Hubbel auszugleichen – die Polster und Kabel sind nur von einer dünnen Schicht roter Erde bedeckt. Anfangs dachte ich, wir führen durch ein Land, das mit den Überresten der Gebäude übersät sei, die hier einst standen und die jetzt bis auf die Fundamente zerbröckelt sind. Allmählich habe ich jedoch den Eindruck, dass es sich eher um die Überreste der Fundamente handelt, unter denen überbaute Gebäude zum Vorschein kommen, die nur dünn mit Erde bedeckt sind. Entfernt man diese Schicht mit dem Fuß, stößt man bald auf verrosteten Stahl oder unförmige Plastikgebilde, auf Stein oder Beton, Ziegel oder Knochen.
    »Hier ist etwas Schreckliches vorgefallen«, sagt Puck. »Da bin ich mir ganz sicher.«
     
    Ich bin davon nicht überzeugt. Obwohl die Trümmer unter der Erde oft schwarz und verbrannt sind, verbogen oder anderweitig verformt, muss das ebenso wenig auf eine Katastrophe zurückzuführen sein wie gewöhnlicher Hausmüll oder Gartenabfälle. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Puck nicht in Erwägung ziehen möchte. Über uns erhebt sich Mount Oblivion, noch immer in großer Ferne, aber inzwischen ein wenig rechts von uns – Nord-Nordost und nicht mehr direkt im Norden. Und trotz seiner gewaltigen Größe erinnert seine Form mehr als nur ein bisschen an die Tells, wie sie für uralte Zivilisationen typisch sind: Im Laufe der Jahrhunderte wurden Städte auf den Ruinen anderer Städte errichtet und lagerten sich schichtweise ab, bis sie sich schließlich – verlassen und

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