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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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das sie für die allgegenwärtigen Spähengel ebenso unsichtbar macht wie für den Radar der Alliierten und für die Überwachungssatelliten. Eigentlich dürfte niemand auch nur ahnen, dass er hier ist, und selbst wenn, hätte es ihnen nicht möglich sein dürfen, die wie konzentrische Kreise angelegten Sicherheitsvorkehrungen zu durchbrechen. Einerseits verspürt er brennenden Zorn über die Unzulänglichkeit seiner Untergebenen; aber wie Malik dem Engel Rafael nur zu gerne klarmachen würde – er hat keine Untergebenen, nur Männer und Frauen, die freiwillig dafür in den Tod gingen, um die Besatzungsmächte aus seinem Land, aus ihrem Land zu vertreiben. Seine PLO, die Befreiungsorganisation der Philister, wie er sie manchmal nennt, wenn er schwärzester Stimmung ist.
    »Nein?«, sagt er leise fragend zu dem Schattenwesen.
    Bestimmt ist das ein Abgesandter von einer anderen Rebellenfraktion. Von Marduk vielleicht, denkt er. Oder von Nergal. Nergal neigt zu theatralischen Auftritten, spielt gerne den Gott der Unterwelt  – den Enteigneten, der zum Dämon wurde. Und damit spielt er dem Konvent genau in die Hände, wie so viele andere auch.
    »Nein«, sagt die Kreatur. »Keine Schurken mehr. Keine Helden. Und keine Opfer.«
    Das zungenlose Stöhnen des Engels auf dem Tisch wird lauter, schriller, mehr ein Heulen als ein Stöhnen.
    »Eine löbliche Vorstellung«, sagt Malik in traurigem Tonfall. »Und wer sind Sie, bitte?«
    Und wir erklären ihm ganz genau, wer wir sind.
     
     
    Mitten in Damaskus
     
    Weißes Licht, weißes Rauschen – er spürt die Erschütterung des Verlustes wie einen Schlag auf den Hinterkopf, wie eine Morphiumspritze, die ihm in den Nacken gerammt, entleert und dann mit einem brutalen Ruck nach unten abgebrochen wird. Eine quälende, blendende Empfindung, gefolgt von völliger Taubheit und Verwirrung. Er stößt ein Keuchen aus, verliert das Gleichgewicht. Metatrons Knie schlagen auf dem Boden auf wie die eines Boxers mit einem gläsernen Kinn, er hört oder sieht nicht einmal, wie das Palmtop gegen den Holztisch kracht, herabfällt und über den Marmorboden rutscht. Seine Dreadlocks hängen ihm ins Gesicht und seine Arme zittern, während er versucht, sich abzustützen wie ein Betrunkener über einer Kloschüssel. Er würgt und ringt um Atem.
    Rafael ist tot.
     
    »... mitten in Damaskus kam es vor wenigen Sekunden zu einer Explosion ...«
    Phreedom kriecht schluchzend über den Boden des Motelzimmers und hält sich den Bauch. Es ist zu früh. Scheiße, es ist viel zu früh, aber die Krämpfe sind unerträglich.
    »... aus der ganzen Stadt treffen Berichte über einen blendend hellen Blitz ein ...«
    Sie greift nach dem Telefon auf dem Nachttisch, reißt es herunter, es bleibt direkt neben ihr auf dem Teppich liegen, dann wird sie von einem weiteren Krampf heimgesucht und ihre Faust krallt sich noch fester in die Bettdecke. Zwischen ihren Beinen tröpfelt Feuchtigkeit hervor.
    »... entsetzliche Verwüstung, völlig unvorstellbar ...«
    Sie greift nach dem Telefon, schiebt ihre Hand durch den Augenblick wie durch eine massive Wand. Verdammte Scheiße. Herrgott. Nicht jetzt.
    Das Gefüge der Zeit flackert.
    »... Israel oder Amerika. Niemand kann das sagen, aber die Folgen werden ...«
    Auch das Fernsehbild flackert, wechselt alle paar Sekunden den Sender – CNN, NBC, Fox, BBC, ABC, VNV, ANN, einer nach dem anderen, und sie weiß, dass es manche von ihnen bis eben noch gar nicht gab, bis irgendwelche Scheißunkin ins Gras gebissen und dabei ein Riesenstück aus der Realität herausgerissen haben. Der Apparat schaltet auf einen neuen Sender um. Im wahren Sinne des Wortes. Sie bekommt den Telefonhörer zu fassen und tippt eine Nummer ein. Es kommt zu früh. Himmel Herrgott, es kommt verdammt nochmal zu früh, aber sie wird nicht zulassen, dass sie es ihr wegnehmen.
    »Ich brauche einen Krankenwagen«, schluchzt sie ins Telefon, ohne auf die Stimme am anderen Ende zu achten. »Ich brauche einen Krankenwagen. Zimmer ... ich weiß es nicht. Ich brauche einen Krankenwagen.«
    Und dann kracht die fahrbare Krankentrage durch die Schwingtüren, über ihr blitzen Lampen auf und Ärzte beugen sich über sie, Hände untersuchen sie und sie hört Satzfetzen wie Steißlage und Kaiserschnitt und Haben Sie irgendetwas genommen?
    »Nein«, sagt sie.
    Nein, nein, nein, nein, nein.
     
    Und Carter greift in Seamus Finnan hinein, tief in sein Herz, um zu lesen, was dort geschrieben steht, wie ein

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