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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Kette, an der die Hundemarke hängt, durch die Finger gleiten und klirrend auf die Brust des Mannes fallen. Sie bedeckt nur einen Bruchteil der Unkinschrift, die in seinen Oberkörper geritzt ist.
    »Nicht ohne Zunge«, sagt er.
    Der Erzengel stöhnt tonlos.
     
    »Für die etwas unbeholfene Durchführung des Ritus möchte ich mich übrigens entschuldigen.« Er tippt auf eines der blutigen Zeichen. »Aber leider stehen uns hier nicht alle Wunder moderner Technologie zur Verfügung. Auch Bitläuse nicht, fürchte ich.«
    Seine Geste schließt den ganzen Operationssaal ein, die veraltete Ausrüstung, die ins vergangene Jahrhundert gehört, all die plumpen, überholten Monitore und Skalen, Röhren, Lampen und Spiegel.
    »Keine Bitläuse«, sagt er. »Keine Mikroscanner. Kein VR-Modellieren und keine Mino-Waldos. Keine Schmelzhaut. Keine selbstschließenden Wundnähte. Wir schneiden die Menschen noch immer mit einem Skalpell aus rostfreiem Stahl auf und nähen sie mit Nadel und Faden wieder zusammen. Falls sie die Operation überleben.«
    Malik streicht sich über den dichten Schnurrbart, eine unbewusste Geste, die sein Grübeln unterstreicht.
    »Zehn Jahre Krieg und Sanktionen und Militärputsche und noch mehr Krieg und noch mehr Sanktionen und so weiter und so fort. Weißt du, wie schwierig es in Damaskus ist, an Antibiotika heranzukommen? Weißt du, wie hoch hier die Kindersterblichkeitsrate ist?«
    Rafael starrt ihn weiter zornig an.
    »Und ich bin der Kindsmörder«, sagt er. »Der große, schreckliche Moloch!«
     
    »Früher warst du ein Heiler, Rapiu«, fährt er fort. »Weißt du noch? Kannst du dich noch an irgendetwas vor deinem ach so heiligen Konvent erinnern? Weißt du noch, wie du die Kranken an den Ufern des Toten Meers gebadet hast? Wie du Medikamente an die Armen und Bedürftigen verteilt hast? Wie die Städte in diesem Land des Salzes und des Sandes aufblühten, weil die Menschen dort Heilung fanden? Das alles hatten sie deinem Vermächtnis zu verdanken. Oder hat die Kraft und die Herrlichkeit das alles aus dir herausgebrannt?
    Malik beugt sich vor, um dem Engel in die Augen zu blicken. Er will, dass der Schweinehund ihn als das erkennt, was er ist, auch wenn er weiß, dass das eigentlich unmöglich ist.
    »Wie viele Kinder sind in den Flammen von Sodom und Gomorra umgekommen? Wie viele Menschen habt ihr zugrunde gerichtet, weil ein paar unnachgiebige Unkin nicht das Knie beugen wollten? Sogar dein Herr höchstselbst konnte es nicht mehr ertragen. Der ruhmreichste unter den Engeln ist lieber ins Vellum gegangen, als dem zu dienen, was aus eurem Konvent geworden ist.«
    Der Engel wendet den Blick ab, aber Malik packt ihn am Kinn und zwingt ihn, in seine von Hass und Abscheu funkelnden Augen zu schauen. An tausend üppige Jahre muss er denken; an Städte, die vom Duft der Zedern und der Gewürze erfüllt waren, die auf dem Markt feilgeboten wurden; an bildschöne Huren, die in Tuch gekleidet waren, das Künstler aus Kanaan purpurrot und scharlachrot gefärbt hatten; an die Dichter der fleischlichen Gelüste, die lasterhaften und dekadenten Gauner, unter die er sich gemischt hatte, ein als Bettler verkleideter König. Natürlich gab es Ungerechtigkeit. Natürlich wurden entsetzliche Verbrechen begangen. Aber es gab Menschen mit Seelen, die ebenso hell leuchteten wie ihre Edelsteine. Und er muss an die dreitausend Jahre denken, während derer sein Name – Malik, Malek, Meleck, Moloch – zum Synonym für Kindsmord wurde.
    »Darüber solltest du dir klar sein, Rafael. Ich bin hier nicht der Schurke. Du bist es.«
     
    »Nein«, sagt die Stimme hinter ihm.
    Er steht in der Tür, ein schwarzer Schatten – eine Silhouette, obwohl der hell erleuchtete Raum ihn mit Licht überfluten müsste. Schwarz sind die Wölkchen, die von ihm aufsteigen wie Dampf von einem schweißüberströmten Raubtier. Die Voluten nehmen in der Luft die Form von Zeichen an, hingehauchte Gedanken. Malik neigt seinen Kopf zur Seite, eher neugierig als beunruhigt, obwohl die Sicherheitsvorkehrungen offenbar völlig versagt haben. Die Stadt ist seit vergangener Woche abgeriegelt, seit er den Engel – unter Narkose und in einem Leichensack – mit einem Hubschrauber eingeflogen hat. Eine ganze Schwadron Wachleute ist für die Bewachung der Gegend zuständig; ihre Nachtsichtgeräte leuchten in der Dunkelheit, ihre Lanzen reagieren auf die leiseste Bewegung. Und in der Sikorsky sitzen zwei Mönche im Lotussitz und stimmen ein Mantra an,

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