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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Schutt und Asche legen möchte.
    »Es ist vollbracht«, sagt der, der Carter heißt. »Er ist tot.«
    »Bist du sicher? Und das Mädchen?«
    »Die ist erledigt«, sagt Pechorin. »Dem kleinen Vöglein haben wir die Flügel gebrochen. Ende der Geschichte.«
    Er nickt und entlässt sie, und der Urkundensaal verschwindet mit einem Aufleuchten aus seiner Wahrnehmung. Schließlich ist es nur eine Sim, dieses Konferenzzimmer, das er verwendet, um die modernen Sebettu angemessen zu beeindrucken. Manchmal zieht er sich dorthin zurück, wenn er Ruhe sucht, um die Prägungen seines Buches zu studieren, um herauszufinden, wann das nächste frische Blut fällig ist, aber im Großen und Ganzen ist es für seinen Geschmack etwas zu protzig. Er blickt aus dem Fenster seines Salons, über die Dächer zum fernen, zerbrechlich wirkenden schwarzen Stahl des Eiffelturms, der hinter einem Schornstein hervorlugt. Er zieht die Wirklichkeit vor, schon immer.
    Der Junge ist also tot und das Mädchen an Leib und Seele gebrochen, denkt er. Aber sicher ist sich Metatron nicht. Vielleicht sollte er das lieber selbst nachprüfen und seinen Sebettu in North Carolina einen kleinen Besuch abstatten. Der Tod des Jungen wäre die erste Hinrichtung eines Unkin seit ... seit langer Zeit. Das hätte im Vellum Wellen schlagen, ein Nachbeben auslösen müssen. Diese Fußsoldaten sind zu jung, um das zu wissen, aber Metatron war dabei, als Tiamat in Stücke gerissen wurde. Der Konvent ist mehr als nur ein bloßer Pakt, die Prägung eines Unkin mehr als nur eine Prägung, denn diese Dinge sind dem Vellum selbst eingeschrieben, und ein kleiner Kratzer im Vellum kann das ganze Universum mit Blut und Tinte überziehen.
    Schließlich ist auch die Zeit keine gerade Linie, die von der Vergangenheit in die Zukunft führt.
     
     
    Im silbernen Stahl eines Feuerzeugs
     
    Carter hält das Zippo aufgeklappt und angezündet. Die andere Hand, die Handfläche nach unten über dem Feuerzeug, senkt sich langsam, bis sie die Flamme berührt. Er hebt sie erst wieder, wenn er die Hitze spürt. Das tut er ein ums andere Mal. Eine ganze Weile. Und schließlich hält er einfach die Hand über die Flamme und atmet den Geruch des verbrannten Fleisches. Das erinnert ihn an eine andere Zeit, an einen anderen Ort – eine andere Identität, die seinem Gedächtnis bereits entgleitet. Früher freute er sich auf die Einsatzbesprechungen. Hinterher fühlte er sich geläutert, sein Zusammenhalt mit dem Konvent wurde durch die Salbung noch verstärkt, durch die Waschung im Blut des Lamms, wenn er seine Erinnerungen seinen Vorgesetzten auslieferte, sich ganz der himmlischen Herrlichkeit unterwarf. Nach jeder neuen Mission fühlte er sich erfrischt, wie neu geboren, wenn er das Hotelzimmer oder das leer stehende Bürogebäude verließ, in dem ihr Vorgesetzter seine Operationsbasis aufgeschlagen hatte, von der Last seiner Sünden gereinigt und in einem Zustand der Gnade, in dem Bewusstsein, dass er – einerlei, was er getan hatte – erfolgreich gewesen war, und dass er einem höheren Ziel gedient hatte, dem höchsten, dem Konvent. So hatte er es früher empfunden, und er weiß nicht, warum das nicht mehr so ist.
     
    »Verdammte Scheiße, was machst du da?«
    Pechorin schlägt seine Hand von der Flamme weg.
    »Himmel Herrgott Sakrament. Was glaubst du eigentlich, was du da treibst?«
    Carter schnippt das Feuerzeug zu.
    »Woher habe ich das?«, fragt er. »Ich kann mich nicht daran erinnern, woher ich das habe.«
    Pechorin zuckt mit den Achseln.
    »Was spielt das für eine Rolle? Reiß dich zusammen, verdammt nochmal. Steig ins Auto.«
    Pechorin geht zur Fahrerseite hinüber, entriegelt mit der Fernsteuerung die Türen, es piept und er steigt ein. Carter rutscht von der Motorhaube und öffnet die Beifahrertür. Er hält inne und betrachtet seine verbrannte Handfläche. Die Haut ist rot und wund, doch sie heilt bereits; man kann es nicht direkt sehen, so schnell geht es nicht, aber die Schmerzen lassen schon nach. Auch das bedeutet es, ein Unkin zu sein. Im Grunde sind sie Heiler, ob nun ihre eigenen Wunden geheilt werden oder die aufgerissene Haut der Wirklichkeit, des Vellum. Er hat sich sagen lassen, das sei einer der uralten Namen, welche die Menschen ihnen gegeben haben – Rephaim ... Heiler.
     
    Als er auf den Beifahrersitz gleitet, dessen schwarzes Lederpolster von der Sonne heiß ist, ist er sich in einem Winkel seines Verstandes jedoch fast – wenn auch nicht ganz –

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