Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
offenbar fest vereinbarten Termin mit Bauer in diesem Lokal hatte Tina mit wilden Zickzacklinien durchgestrichen.
„Es ist natürlich nur eine Spekulation, aber für mich sieht das aus, als wären sie sich nähergekommen“, vermutete Katja. „Erst waren da nur ein paar Hintergrundgespräche bei Bauer. Später haben sie gemeinsam die Umgebung um die Pfaffenwiese erforscht. Bauer wird Tina dabei für die Umweltschäden des Projekts sensibilisiert haben.“
„Und zwar erfolgreich“, warf Velten ein. „Die beiden sind ja mehrere Male durchs Unterholz gekrochen und haben nach Knoblauchkröten und ähnlichem Viehzeug gefahndet. Jedenfalls legen das Tinas Notizen nahe. Wegen eines Artikels im Kurier zum geplanten Industriepark hat sie diese Ausflüge nicht unternommen, denn die Pfaffenwiese war das Thema von Alf Kuntz. Wenn sie sich die Gegend aber wegen eines Berichts über die sehenswerte Natur am Stadtrand angesehen hätte, wäre sie wohl nur einmal mit Bauer dorthin gegangen, um sich einen groben Überblick zu verschaffen.“
„Die zwei werden sich wohl als Streiter für die gleiche Sache verstanden haben, nämlich die Auswirkungen des Industriegebiets auf die Ökologie. So etwas schweißt Menschen auch persönlich zusammen. Sie trafen sich schließlich abends in einem netten Restaurant und die Dinge werden ihren Lauf genommen haben.“
„Aber die Art und Weise, wie Tina die letzten Verabredung durchgestrichen hat, spricht nicht dafür, dass zwischen den beiden zu diesem Zeitpunkt noch alles zum Besten stand. Da waren Emotionen im Spiel. Und nach diesem abgesagten Date taucht FB in ihrem Kalender nicht wieder auf. Wir sind ja gleich mit ihm verabredet und können ihn darauf ansprechen. Ich bin schon sehr gespannt, wie er reagieren wird.“ Renate Knab hatte für heute Termine mit dem Fraktionschef der Öko-Partei und Regina Kerner, der Vorsitzenden der Konservativen im Waldenthaler Rat, ausgemacht.
Katja wedelte mit einem weiteren Ausdruck: „Mindestens so interessant wie ihre Treffen mit Bauer sind ihre Anmerkungen zu RD . Dabei kann es sich ja nur um Roland Dubois handeln, unseren heutigen Oberbürgermeister und damaligen Mitarbeiter des Bauamtes. Sie traf ihn zwar nur zweimal, doch an einer Stelle hat sie hinter seinen Initialen Absprachen mit HL vermerkt. HL dürfte Hagen Leonhard sein.“
Velten ließ sich Katjas Vermutung durch den Kopf gehen. Ihre Schlussfolgerung war naheliegend. Sollte sie zutreffen, würde der Stadtchef im Zentrum eines Korruptionsskandals gewaltigen Ausmaßes stehen. Aber war dem leutseligen Rathauschef tatsächlich zuzutrauen, dass er einem dubiosen Bauunternehmer vor fast einem Vierteljahrhundert Einblicke in die Angebote von Konkurrenten gewährt hat, um ihm so zu lukrativen Aufträgen zu verhelfen? Und war es sogar denkbar, dass er das auch heute noch tat? Velten dachte wieder an das Gespräch mit Philip Germann zurück, der ja am Morgen ebenfalls sehr deutlich auf Unregelmäßigkeiten bei Leonhards Angeboten hingewiesen hatte. Der Baulöwe musste mindestens einen Komplizen in der Verwaltung oder in den entsprechenden politischen Ausschüssen gehabt haben.
Es war kein Geheimnis, dass er Mitglied bei den Konservativen war und Dubois’ Wahlkämpfe großzügig unterstützte. Außerdem trat er häufig als Sponsor städtischer Veranstaltungen in Erscheinung und bot dem Oberbürgermeister so immer wieder Möglichkeiten zur öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung. Für sich allein genommen, war das alles nicht verwerflich, andere Unternehmen taten dasselbe. Doch vor dem Hintergrund eines möglichen Korruptionsskandals konnten Leonhards Wohltaten leicht wie fragwürdige Hilfeleistungen für seinen Komplizen Dubois interpretiert werden. Velten erinnerte sich an mehrere Begegnungen mit den beiden bei offiziellen Anlässen. Zuletzt war er ihnen vor wenigen Monaten bei der Jubiläumsfeier der Firma OSOWA , des größten Schuhproduzenten der Stadt begegnet. Der Oberbürgermeister hatte freudestrahlend davon berichtet, dass L&S BAU die Ausschreibung für die Sanierung des Schlossplatzes und des Rossbrunnens für sich entschieden hatte. (S. „Velten & Marcks – Die Tote im Klee“) .
Plötzlich befiel ihn ein Geistesblitz. Er sprang von seinem Stuhl auf: „ RDKIND ist vielleicht kein altes Passwort von Tina, sondern eine Umschreibung für den tatsächlichen Code, der ihre verschlüsselte Datei öffnet. Dubois hat drei Kinder, wir müssen sofort ausprobieren, ob wir das Dokument
Weitere Kostenlose Bücher