Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
schimpfte Velten, als er Katja wieder in ihrem gemeinsamen Büro gegenübersaß. „Und du lobst ihn auch noch dafür.“
„Steffen ist schon in Ordnung“, verteidigte sie den Kollegen, während sie in den Schriftstücken blätterte. „Und immerhin hat er die ganzen Unterlagen systematisch und nach Themen geordnet. Das hat sicher ein paar Stunden gedauert. Du solltest öfter mal Danke sagen. Das täte deinem Image in der Belegschaft gut. Unter den Kollegen der ehemaligen Landkreisredaktion sind deine Beliebtheitswerte zum Beispiel gerade ziemlich im Keller.“
Die bis vor Kurzem selbstständige Abteilung für die Umlandgemeinden war vor wenigen Wochen mit der Waldenthaler Lokalredaktion verschmolzen worden und fiel jetzt in Veltens Zuständigkeit. Lutz Frenger, der die Berichterstattung für den Kreis bislang verantwortet hatte, musste sich nun zähneknirschend mit dem Posten des stellvertretenden Leiters begnügen.
„Meine Popularität unter diesen Kollegen würde nur steigen, wenn ich sie weiter Beiträge über Kaffee-und-Kuchen-Veranstaltungen des Hauensteiner Hausfrauen vereins schreiben ließe. Jeder zweite von Frengers Artikeln endete doch mit dem Hinweis, dass für das leibliche Wohl gesorgt sei.“ Er schrieb mit schwarzen Großbuchstaben das Wort RDKIND an die Magnetwand über Tinas Porträtfoto und setzte drei schwungvolle Fragezeichen dahinter. „Das ist wahrscheinlich ein längst geändertes Passwort, das uns überhaupt nichts mehr nützt.“
Velten und Katja machten sich daran, die umfangreichen Unterlagen, die Steffen Schneider im Computer von Tina Hofers Vater gefunden hatte, zu sichten. Darunter waren viele belanglose Schriftstücke, wie etwa Telefonnummernverzeichnisse des Morgenkurier oder Zeitungsartikel von Tina ohne erkennbaren Zusammenhang zu Hagen Leonhard oder zum Industriegebiet Pfaffenwiese . Wesentlich interessanter waren die Scans ihres Terminkalenders, mit dessen Hilfe sich genau nachvollziehen ließ, mit wem sie sich in den Wochen vor ihrem Tod getroffen hatte.
Es war schon Nachmittag, als die beiden Journalisten sich durch alle Dokumente gearbeitet hatten. Auf dem Besprechungstisch hatten sie die Papiere in drei Kategorien aufgeteilt. Die offensichtlich unergiebigen türmten sich ganz links und bildeten den mit Abstand größten Stapel. In der Mitte lagen die Schriftstücke, die in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit dem Mord standen, aber womöglich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal interessant werden könnten. Rechts hatten sie alles abgelegt, was ihnen für ihre Recherchen am hilfreichsten erschien, vor allem Tinas Kalender.
„Zum Glück war sie ein analoges Mädchen, wie Steffen so treffend bemerkte“, stellte Katja fest. „Sie hatte ihre Termine noch in einen guten, alten Papierkalender eingetragen. Heute nutzt dazu ja fast jeder sein Handy, sogar du.“
„Nicht nur sie selbst war analog, auch die neunziger Jahre waren es zum großen Teil“, erinnerte sich Velten. „E-Mails kamen damals erst nach und nach auf und zu Tinas Zeit war jede Homepage noch eine kleine Sensation. Voluminöse Kalender waren ziemlich beliebt und manchmal auch ein Statussymbol. Wer einen dicken Terminer mit sich herumschleppte, aus dem im besten Fall auch noch alle möglichen bunten Klebezettel herausragten, musste wichtig sein.“
„Tina hat wohl nur so eine Riesenkladde geführt, weil sie neben den Terminen auch alle möglichen Notizen und Anmerkungen hineinschrieb. Uns hilft das auf jeden Fall weiter. Blöd ist nur, dass sie die Angewohnheit hatte, Personen mit ihren Initialen zu benennen.“
„Die meisten Abkürzungen werden wir sicher problemlos zuordnen können. Wer FB ist, liegt ja zum Beispiel auf der Hand.“
„Ferdi Bauer natürlich, unser Krötenschützer. Ihr Verhältnis zu ihm scheint sich innerhalb weniger Monate sehr gewandelt zu haben. Ich habe in einer Übersicht aufgeschrieben, wann sie ihn erwähnte und in welchem Kontext.“ Katja reichte Velten einen Ausdruck.
Er sah sich die säuberliche Auflistung an, die seinen Eindruck bestätigte. Anfangs hatte Tina sich mit Bauer einige Male in dessen Büro getroffen. Später unternahmen sie immer wieder Exkursionen, die sie vor allem in die Umgebung des damals noch in Planung befindlichen Industrieparks Pfaffenwiese führten. Die letzten Treffen mit FB hatten wenige Wochen vor ihrem Tod stattgefunden, und zwar abends im Ratskeller , einem inzwischen längst geschlossenen Restaurant am Rathausplatz. Einen letzten,
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