Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
alle wichtigen Unterlagen aus dem Nachlass seiner Tochter gescannt und gespeichert. Aus seinem E-Mail-Verkehr habe ich herausgelesen, dass er verschiedene Dokumente an alle möglichen Kriminologen, Journalisten und einschlägigen Buchautoren gemailt hat, um sie um ihren Rat oder um Hilfe bei der Aufklärung des Verschwindens von Tina Hofer zu bitten. Viel kam dabei allerdings wohl nicht heraus, jedenfalls konnte ich keine einzige positive Antwortmail finden. Wie auch immer, für euch ist ja wahrscheinlich nur wichtig, dass wir praktisch die gleiche Datenbasis haben wie die Polizei.“ Er zeigte auf einen Stapel Papier, der das Volumen des Waldenthaler Telefonbuchs hatte: „Ich habe euch alles ausgedruckt.“
Katja nahm die Schriftstücke und sah sie flüchtig durch. „Es gibt sogar Scans von Tinas Terminkalender. Damit hätte ich nicht gerechnet. Wie weit bist du mit den Computerdateien gekommen?“
Schneiders Blick umwölkte sich. „Jetzt kommen wir zur schlechten Nachricht. Tina war zwar ein sehr analoges Mädchen und hat Dokumenten anscheinend nur getraut, wenn sie ausgedruckt vor ihr lagen. Insofern hätte sie sich gut mit dir verstanden, Velten. Sie schien aber dennoch die wichtigsten Informationen in einem vorsintflutlichen Textverarbeitungsprogramm erfasst zu haben, um sie mit einem Passwort sichern zu können. Offenbar ahnte sie, dass sie auf etwas Brisantes gestoßen war. Diese Datei mit dem Namen PFWIESE konnte ich nicht knacken. Auch Tinas Vater ist es nicht gelungen, jemanden zu finden, der ihm dabei helfen konnte. Das konnte ich seinen Mails entnehmen. Das Softwareunternehmen, das das Textprogramm vertrieben hatte, ist längst pleite und war schon vor zwanzig Jahren nicht sehr verbreitet. Deswegen hat sich auch niemand wirklich damit beschäftigt, wie man die Passwortsicherungen überwinden kann. Bei den Marktführern von damals, die übrigens die gleichen sind wie heute, quillt das Internet dagegen über vor schlauen Ratschlägen, wie alte Codes geknackt werden können.“
„Also stecken die Informationen, die alles aufklären könnten, in diesem uralten Rechner, und wir kommen nicht ran“, stellte Velten frustriert fest.
„Sie stecken jetzt auch hier drin“, sagte Schneider und hielt einen USB-Stick in die Höhe. Bevor Velten danach schnappen konnte, warf er ihn Katja zu, die ihn lässig auffing. „Ein DAU wie du könnte sowieso nichts damit anfangen, Velten“, unkte der Computerexperte.
„ DAU ?“
„Dümmster anzunehmender User“, übersetzte Katja. Sie drehte den Stick zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her und fixierte ihn, als würde sich ihr dadurch das Geheimnis der gesperrten Dateien erschließen. „Wir müssen irgendwie an das verdammte Passwort kommen.“
„Das Beste habe ich euch noch gar nicht erzählt“, rief der Programmierer fröhlich. Velten und Katja wandten ihren Blick vom USB-Stick zu Schneider, der vergnügt auf seinem verschlissenen Drehstuhl wippte.
„Rück schon raus damit!“, bellte Velten, dessen Geduld sich langsam erschöpfte.
„Schon gut, schon gut. Tinas Vater hat einen Zettel eingescannt, auf dem sie sich zwei Dutzend Passwörter und PIN-Nummern für Konten, Chatrooms, Textdateien und Sonstiges notiert hatte. Könnt ihr euch das vorstellen? Sie hatte die Zugangsdaten tatsächlich auf ein Blatt Papier geschrieben. Wie naiv war dieses Mädchen?“
„Ja, unfassbar“, sagte Velten, unter dessen Mousepad ein ähnlicher Zettel klebte. „Wo hast du den Schrieb?“
Der Programmierer fischte einen Ausdruck von seinem Schreibtisch und hielt ihn hoch: „Tadaa!“ Katja schnappte einen Sekundenbruchteil eher danach als Velten.
„Das meiste ist belangloses Zeug“, erklärte Schneider. „Aber seht euch mal die letzte Zeile an.“
Sie starrten auf den Zettel. Ganz unten stand:
„ PFAFFENWIESE ETC.: RDKIND .“
„Fragt mich jetzt bitte nicht, ob ich schon versucht habe, die Dateien mit dem Passwort RDKIND zu öffnen. Es geht natürlich nicht.“
„Und was sollen wir dann damit“, fragte Velten entnervt. Er hatte sich nach Schneiders theatralischer Ankündigung mehr erhofft als ein Passwort, das nicht funktionierte.
„Ihr seid doch die Riesenspürnasen. Findet es heraus!“
Velten pumpte sich schon auf, um ihm eine passende Antwort zu geben, doch Katja zog ihn am Ärmel zur Tür. „Vielen Dank, Steffen. Du bist ein Schatz.“
„Logo.“
- - -
„Dieser verdammte Hacker hat nur ein paar Blätter Papier ausgedruckt“,
Weitere Kostenlose Bücher