Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Offenbar wollte er das Gespräch beenden, was Velten, der sich an der Unterhaltung mit keiner Silbe beteiligt hatte, nur recht war.
„Sind Sie jemals handgreiflich geworden?“
Bernhard brach in ein raues Gelächter aus, das in ein heiseres Röcheln überging. Velten nahm erfreut zur Kenntnis, dass sein Gast immerhin noch so viel Restanstand besaß, den Auswurf nicht auf den Boden zu spucken.
„Angedroht habe ich es ihr. Hoffentlich hat sie deswegen ein paar Nächte schlecht geschlafen. Aber ich habe ihr nichts getan. Was macht die Schlampe eigentlich heute? Schreibt sie immer noch für euer Drecksblatt?“
„Nein, das tut sie nicht. Herr Bernhard, wir wollen Sie nicht länger aufhalten.“
„Trifft sich gut. Ich habe meine Zeit schließlich nicht gestohlen. Wenn ich also um meine Vergütung bitten dürfte. Ich hoffe, Sie brauchen keine Quittung.“
Katja gab Bernhard sein Geld und schob ihn aus der Tür. „Mein Gott, was für ein Wrack. Unglaublich, was so ein Urteil aus einem Menschen machen kann.“
„Das Urteil wohl weniger. Ich tippe auf drei Schachteln Zigaretten und eine Flasche Wodka am Tag. Was hat uns dieses denkwürdige Gespräch jetzt gebracht?“
Katja warf Bernhards Visitenkarte angewidert in den Papierkorb. „Vielleicht die Erkenntnis, dass noch jemand ein Motiv hatte, Tina zu ermorden.“
„Bernhard? Das glaube ich nicht. Er wusste ja nicht einmal, dass sie verschwunden beziehungsweise tot ist. Oder glaubst du, dass er uns das nur vorgespielt hat?“
„Wer weiß. Er sagte, dass er für Hagen Leonhard die Drecksarbeit gemacht habe. Vielleicht gehörte ein Mord auch dazu.“ Sie bemerkte Veltens skeptischen Blick. „OK, klingt weit hergeholt, ich weiß. Aber wenigstens haben wir jetzt die Gewissheit, dass L&S Bau in großem Stil krumme Geschäfte gemacht hat und das wahrscheinlich immer noch tut.“
In der folgenden Redaktionskonferenz informierte Velten die Kollegen darüber, dass es sich bei der Leiche aus dem Erdrutsch an der Pfaffenwiese um Tina Hofer handelte. Er hatte Susanne zwar zugesagt, diese Information vorerst nicht zu verbreiten, doch inzwischen sprach sich die Identität der Toten in der Stadt herum. Velten wollte unbedingt vermeiden, dass die Belegschaft über Dritte von Tinas Schicksal erfuhr. Die Reaktionen reichten von höflich kaschiertem Desinteresse bis zu ehrlicher Anteilnahme. Außer Renate Knab, die ja schon Bescheid wusste, war Kurier -Fotograf Heiner Wagner unter den Teilnehmern der Konferenz der Einzige, der die Tote noch persönlich gekannt hatte. Er war aufrichtig schockiert.
„Sie war eine wirklich nette Kollegin“, sagte Wagner zu Velten und Katja, nachdem alle anderen Kollegen den Bunker bereits verlassen hatten. „Wir Jüngeren waren alle ein wenig in sie verschossen.“
„Sie scheint sehr eigensinnig gewesen zu sein“, antwortete Katja. „Wenn man mit Menschen spricht, die sie noch persönlich kannten, ist immer wieder davon die Rede, dass sie öfter auf eigene Faust gearbeitet hat.“
Wagner nickte: „Das war auch notwendig. Der Morgenkurier war damals so etwas wie das Zentralorgan der Konservativen im Stadtrat. Kritischer Journalismus, wie wir ihn heute pflegen, setzte sich erst wieder durch, als Dieter Kreutzer zum Leiter der Gesamtredaktion befördert wurde. Auch Velten hat vor zwanzig Jahren viel frischen Wind ins Blatt gebracht und die Kollegen Hofberichterstatter damals mächtig vor den Kopf gestoßen.“
„Traut man ihm heute gar nicht mehr zu“, flachste Katja.
Der Fotograf lachte: „Frag’ doch mal die Kollegen aus der früheren Landkreisredaktion nach ihrer Meinung.“
„Das sind alles erstklassige Journalisten“, meinte Velten und griente. „Sie wissen es nur noch nicht.“
Wagner wurde wieder ernst: „Katja, du hast mich schon an deinem ersten Tag in der Redaktion an Tina erinnert. Du bist im gleichen Alter wie sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens, hast die gleiche freche Klappe und dieselbe schnelle Auffassungsgabe.“
„Ja, das höre ich öfter“, antwortete sie leise. „Langsam glaube ich selbst daran.“
„Und auch dich hätte dein Job um ein Haar das Leben gekostet“, fuhr Wagner fort. (S. „Velten & Marcks – Eine Frage der Zeit)
Als Velten und Katja zu ihren Schreibtischen zurückkehrten, hörten sie aus dem Büro von Renate Knab eine vertraute Stimme: „Wie könnt ihr bloß diese Brühe trinken? Ich habe zuhause einen Kaffeevollautomaten in der Größe eines Kühlschranks herumstehen. Das Ding
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