Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Füße gestiegen“, meinte sie.
„Nein, so sensibel ist er nicht, dass ihn das beeindruckt hätte“. Er überlegte einen Moment. „Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er Wind davon bekommen hat, dass wir Informationen über ihn sammeln. Und weil er nicht so blöde ist, wie er wirkt, bleibt er jetzt in Deckung.“
„Aber warum will er sich dann schriftlich äußern?“
„Will er nicht“, war sich Velten sicher. „Er will Zeit gewinnen und anhand unserer Fragen erfahren, was wir schon wissen und auf welcher Spur wir sind.“
„Dann sollten wir sie ihm besser nicht mailen.“
„Und ob wir das sollten! Vielleicht lässt er sich ja zu einer unbedachten Aktion verleiten oder macht einen anderen Fehler. Wir werden ihn konkret danach fragen, wieso er seine Angebote immer wieder auffallend spät einreicht und ob ihm bekannt war, dass Tina ihn der Bestechung verdächtigte. “
- - -
Horst Bernhard zündete eine Zigarette an den verklimmenden Überresten der gerade aufgerauchten Kippe an und sog den Rauch mit geschlossenen Augen in seine Lungen. Dann blies er eine Qualmwolke an die Decke. „Also gut, Sie wollen mit mir reden, hier bin ich.“ Der schmächtige Mann mit der gelblichen Gesichtsfarbe war Anfang sechzig, sah jedoch wesentlich älter aus. Verbitterung, Nikotin und vermutlich auch Alkohol hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben.
Katja hatte die Telefonnummer des früheren Subunternehmers von Hagen Leonhard am Vortag ausfindig gemacht und ihn ins Pressehaus eingeladen. Gegen eine Aufwandsentschädigung hatte er sich bereit erklärt, ihr und Velten dabei zu helfen, Licht in jenen Umweltskandal zu bringen, der ihn vor zwanzig Jahren wirtschaftlich ruinierte.
„Sie hatten also damals kontaminierten Bauschutt illegal in einem abgebrochenen Schwimmbad entsorgt“, kam Katja ohne Umschweife auf den Punkt, während Velten trotz der kühlen Außentemperatur ein Fenster öffnete.
„So war das damals mit Leonhard abgemacht. Ich karrte das Zeug aus einer Chemiefabrik, die er abgerissen hatte, zu dem alten Bad und verbuddelte es dort.“
„Auf Anweisung Leonhards?“
„Natürlich. Vor Gericht konnte ich das aber nicht beweisen. Ich hatte irgendeinen Wisch unterschrieben, mit dem der Anwalt dieses Drecksacks vor dem Richter herumwedelte.“
„Sie sprechen von der Verwertungsbestätigung?“
„Keine Ahnung, wie der Scheiß hieß. Es war jedenfalls mein Todesurteil. Ich wurde verknackt und Leonhard spazierte mit einem fetten Grinsen aus dem Saal. Seitdem schlage ich mich mit Hausmeisterarbeiten durch, entrümpele Wohnungen und schneide Hecken und so ein Zeug.“ Er zog eine schmuddelige Visitenkarte aus der Hosentasche und legte sie vor Katja auf den Tisch. „Wenn ich etwas für Sie tun kann, einfach bei meiner Frau anrufen. Sie managt das Geschäft, macht die Termine und kümmert sich um den verdammten Papierkram.“
Katja ging nicht auf sein Angebot ein: „Waren Sie öfter für L&S Bau tätig?“
„Logisch. Immer wenn sich der feine Herr Leonhard nicht die Finger mit irgendwelchem Chemiezeug oder ähnlichem Dreck schmutzig machen wollte, hat er mich angeheuert. Und jedes Mal musste ich so ein Verwertungsding unterschreiben.
„Eine Verwertungsbestätigung. Kannten Sie eigentlich Tina Hofer?“
„Na klar, den Namen werde ich nie vergessen. Die hatte zerstört, was von meinem guten Ruf noch übrig war.“
„Das müssen Sie mir erklären.“
„Diese arrogante Ziege hat über den Prozess und den sogenannten Müllskandal geschrieben. Im Zweibrücker Morgenkurier stand, ich wäre ein Umweltverbrecher und dass ich in den Knast gehöre. Ich war ja nach dem Urteil auf Bewährung draußen, das hat dieser Hofer gestunken. Deshalb hat sie mich dann in ihrer Zeitung in den Dreck gezogen. Sogar meinen Namen hat sie ausgeschrieben: Horst Bernhard. Danach war ich unten durch, erledigt, tot. Keiner wollte mir mehr eine Chance geben. Meine Frau hat sich zu Tode geschämt.“
„Haben Sie danach noch mit Frau Hofer geredet?“
„Darauf können Sie einen lassen. Ich habe sie am Telefon nach Strich und Faden zusammengefaltet, dreimal, aber sie hat jedes Mal gesagt, ich hätte mir das alles selbst zuzuschreiben. Der war völlig egal, was sie mir angetan hat. Einmal war ich auch in der Reaktion ...“
„ ... Redaktion ...“
„ ... und habe sie vor versammelter Mannschaft abgekanzelt.“ Er drückte seine Kippe aus, diesmal ohne sich damit vorher einen neuen Glimmstängel anzuzünden.
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