Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
seine vermeintlichen Verdienste können wir keine Rücksicht nehmen.“
„Das weiß ich natürlich.“ Regina Kerner straffte sich und zeigte wieder die ihr eigene Entschlossenheit: „Aber noch ist ja nichts bewiesen. Auf der Basis von bloßen Vermutungen können Sie einen so fähigen Politiker nicht der Korruption oder sogar schwerwiegenderer Straftaten beschuldigen.“
„Sie vergessen, dass auch Tina Hofer ihn bereits verdächtigte, ein Komplize von Hagen Leonhard zu sein“, beharrte Katja. „In ihren Notizen taucht das Kürzel RD immer wieder mit entsprechenden Anmerkungen auf. Wir können darüber und auch über die bemerkenswerte Nähe von Dubois zu Leonhard durchaus auf der Grundlage unserer jetzigen Erkenntnisse berichten.“
„Nein, Frau Kerner hat recht“, widersprach Velten seiner Kollegin. „Initialen in einem zwanzig Jahre alten Kalender und ein paar Spekulationen reichen nicht aus, um einen langjährigen Oberbürgermeister an den Pranger zu stellen. Wir brauchen einen überzeugenden Beweis, der jeden Zweifel ausräumt.“
„Das stimmt wahrscheinlich“, räumte Katja zerknirscht ein. „Wenn wir nur an diese verschlüsselte Datei herankommen könnten.“
„Worum geht es dabei?“, fragte Regina Kerner.
„Wir haben Kopien von Dokumenten, die Tina Hofer damals angelegt hatte, auf dem Rechner ihres verstorbenen Vaters gefunden“, erklärte Katja. „Das entscheidende Schriftstück mit dem Namen PFWIESE , ist leider gesichert. Wir haben einen Hinweis gefunden, dass das Passwort ursprünglich einmal RDKIND gelautet haben könnte und später geändert wurde. Die seltsame Abkürzung könnte natürlich auch Tinas Eselsbrücke gewesen sein, mit der sie sich den Zugangscode besser merken konnte.“
Die Politikerin hatte aufmerksam zugehört: „ RD steht sicher für Roland Dubois. KIND beschreibt vermutlich seine älteste Tochter Jessica. Seine beiden anderen Kinder wurden erst nach dem Tod von Frau Hofer geboren. Das Passwort könnte also Jessica sein.“
Katja schüttelte den Kopf: „Das war natürlich auch unser erster Gedanke, aber keine der Variationen des Namens Jessica hat funktioniert. Vielleicht hatte Tina den Code später noch einmal geändert. Jedenfalls kommen wir so nicht an die Daten heran.“
„Kann die Polizei das Passwort nicht irgendwie knacken?“
„Die Kripo hat Tinas Originaldisketten und beißt sich daran auch die Zähne aus. Vermutlich sind die Datenträger nach der langen Zeit auch bereits so beschädigt, dass sie überhaupt nicht mehr zu gebrauchen sind. Wir werden der Kriminalpolizei den Computer von Tinas Vater übergeben müssen. Unser IT-Fachmann hält es aber für nahezu unmöglich, die alte Datei ohne korrektes Passwort öffnen zu können.“
„Das ist ja wirklich zu dumm“, stellte die Eiserne Regina konsterniert fest. „Sie sind im Besitz des einzigen Dokuments, das wahrscheinlich alles aufklären könnte, und kommen nicht heran. Ich sehe nur eine Möglichkeit, wie wir diesen vertrackten Fall lösen können.“
Velten hörte auf: „Jetzt bin ich aber gespannt.“
„Wir konfrontieren Roland direkt mit Ihren Rechercheergebnissen. Er wird darauf auf die eine oder andere Weise reagieren. Sein Nervenkostüm ist zur Zeit sowieso nicht das beste. Deshalb stehen die Chancen gut, dass er etwas sagen wird, das ihn überführt.“
„Wann wäre dafür der beste Zeitpunkt?“, wollte Katja wissen.
„Ich bin am kommenden Montag um elf Uhr mit ihm und Hagen Leonhard verabredet. Roland hat den Termin angesetzt, um eine gemeinsame Linie in Bezug auf die Korruptionsvorwürfe zu finden. Ich schlage vor, Sie beide kommen dazu und dann werden wir sehen, was passiert.“
„Wird der Oberbürgermeister uns nicht achtkantig rauswerfen?“
„Er wird es vielleicht versuchen, aber ich werde es nicht zulassen.“
Velten wurde angesichts der bemerkenswerten Kooperationsbereitschaft der Politikerin misstrauisch: „Sie würden Ihren Parteifreund ans Messer liefern? Wenn er fällt, müsste doch ein neuer OB gewählt werden.“
„Der zweifellos wieder aus den Reihen unserer Partei kommen wird“, gab sich Regina Kerner selbstbewusst. „Aber das ist überhaupt nicht der Punkt, Herr Velten. Roland Dubois hat die Geduld von Partei und Fraktion bis zum Äußersten strapaziert. Bei der umstrittenen Stellenbesetzung für das französisch-deutsche Zentrum hat er jedes Fingerspitzengefühl vermissen lassen, indem er der Tochter eines Freundes zu dem Job verhalf. Und wenn er
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