Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
tatsächlich mit Hagen Leonhard gemeinsame Sache bei strafbaren Handlungen gemacht haben sollte, ist er ohnehin nicht mehr zu halten. Die Parteiführung sieht das übrigens genauso. Über seine mögliche Verwicklung in den Mord an Frau Hofer will ich lieber gar nicht erst nachdenken. Seine Entfernung aus dem Amt erscheint mir aus Gründen der politischen Hygiene mehr als geboten. Mir ist ein sauberer Schnitt lieber als eine endlose Hängepartie, die unserer Partei schweren Schaden zufügen würde.“
„Und Sie haben sicher auch schon einen Kandidaten für seine Nachfolge im Sinn.“
„Jörg Schindhard, mein persönlicher Assistent, gehört dem Stadtrat an und genießt großen Rückhalt in der Fraktion. Aber letztlich entscheiden natürlich die zuständigen Gremien über einen passenden Bewerber.“
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„So schnell wird man also vom Kofferträger zum Oberbürgermeister“, sagte Katja abschätzig.
Sie waren nach ihrem Gespräch mit der Eisernen Regina gerade wieder im Pressehaus angekommen. Velten sortierte die Post, die seit heute Morgen unbearbeitet auf seinem Schreibtisch lag. Wie üblich waren wieder einige Pressemitteilungen darunter, die per Fax eingegangen waren. Die digitale Revolution war bei vielen Vereinen, die von rüstigen Rentnern geleitet wurden, noch längst nicht angekommen.
„Findest du das nicht auch widerwärtig?“, hakte sie nach, als er nicht auf ihre Bemerkung reagierte.
„Was hast du erwartet? Dass die Kerner in aller Seelenruhe dabei zusieht, wie Dubois die Partei mit sich in den Untergang reißt?“
„Jedenfalls habe ich nicht damit gerechnet, dass sie so schnell einen Nachfolger aus dem Hut zaubert.“
Velten lachte: „Was glaubst du denn, wie sie zu ihrem Spitznamen Eiserne Regina kam? Sie bringt Leute nach oben, wenn sie es für richtig hält, und sie sägt sie auch genauso schnell wieder ab, falls ihr Machtkalkül es erforderlich macht. Und eines kannst du mir glauben, wenn sie diesen Langweiler Schindhard zum OB-Kandidaten machen will, dann werden die zuständigen Gremien, die sie uns gegenüber so artig erwähnt hat, brav die Hacken zusammenschlagen und dem neuen Spitzenkandidaten applaudieren.“
Sie verzog die Mundwinkel: „Und das nennt sich dann Demokratie?“
„Nein, das nennt sich Politik.“ Velten sortierte die Post oberflächlich aus. Der Großteil der Briefe und Faxe wanderte, nachdem er einen kurzen Blick auf die Schriftstücke geworfen hatte, zum Altpapier. Nur ein kleiner Teil schaffte es auf seinen Schreibtisch.
„Ich kann mir unseren Oberbürgermeister überhaupt nicht als Mörder vorstellen “, meinte Katja. „Als korrupten Betrüger von mir aus, aber nicht als Mörder.“
„Wie sieht denn ein Mörder aus?“
Sie stützte sich auf die Ellenbogen und legte das Gesicht in beide Hände. Ihren Computer hatte sie noch nicht eingeschaltet und auch ihre Post lag noch unbeachtet im Eingangskorb. „Dubois ist der totale Spießer. Sohn eines Rechtsanwalts und einer Lehrerin, Einserabiturient, studierter Betriebswirt, verheiratet, Vater von drei Kindern. Er turnt auf jedem Feuerwehrfest herum und herzt jede Oma, die nicht bei drei auf den Bäumen ist.“
Velten legte die restlichen Pressemitteilungen seufzend zur Seite. Er wusste, dass sie keine Ruhe geben würde. „Das sind die besten Voraussetzungen, um in einer Stadt wie unserer Oberbürgermeister zu werden. Die Leute wählen nicht den fähigsten oder intelligentesten Kandidaten ins Rathaus, sondern denjenigen, den sie sich wahlweise besser als älteren Bruder oder als Schwiegersohn vorstellen können.“
„Du meinst, er gibt sich so volkstümlich, weil er unbedingt gewählt werden will?“
„Nein, das ist keine Masche von ihm. Wie fast alle Politiker ist er ziemlich liebesbedürftig. Die meisten unserer Mandatsträger haben sich doch für diesen Beruf entschieden, weil sie gemocht und respektiert werden wollen und nicht, weil sie etwas verändern oder gestalten möchten. Der Bundestag ist voll von solchen Vögeln. Wir haben in Waldenthal immerhin das Glück, dass Dubois zufällig auch etwas auf dem Kasten hat und ziemlich viel bewegen konnte.
Katja sah in skeptisch an: „Gut und schön, aber ist er auch fähig, einen vorsätzlichen Mord zu begehen?“
„Wenn er tatsächlich an illegalen Aktionen beteiligt war und Tina davon wusste, war sie eine Gefahr für ihn. Er hatte dann die Wahl, entweder alles zu verlieren oder sie für immer zum Schweigen zu bringen.“
„Gut, ich sehe
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