Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
ein, dass das ein Motiv ist“, gab sie ihm recht. „Aber Dubois ist doch nicht so kaltblütig, so eine Tat einfach wegzustecken. Sieh dir einmal an, wie sehr ihn diese Club-Affäre aus der Kurve haut, die im Vergleich zu einem Mord der reinste Kinderkram ist. Wer wegen ein wenig schlechter Presse schon so mit den Nerven runter ist, lebt nicht zwei Jahrzehnte lang mit einem Mord, ohne dass es ihn fertigmacht.“
„Für ihn zählt nicht so sehr das, was er tut oder eben nicht tut, sondern was die Öffentlichkeit davon weiß und wie sie darüber denkt. Er hat Angst davor, dass die Öffentlichkeit ihn verurteilt, weil er der Tochter seines Golffreundes zu einem gutdotierten Job verholfen hat. Das ist eine konkrete Gefahr. Von seinem Mord an Tina ahnte zwanzig Jahre aber lang niemand etwas. Er glaubte sie für immer unter Tonnen von Beton begraben und hat die ganze Sache mit den Jahren mehr oder weniger verdrängt.“ Velten fuhr damit fort, die letzten Briefe durchzusehen. „Vorausgesetzt natürlich, er hat sie wirklich umgebracht.“
„Ich weiß nicht, ich habe ein Störgefühl“, beharrte Katja und schaltete endlich ihren Rechner ein. „Mord ist nicht sein Stil. Er arbeitet mit anderen Mitteln, ist dabei aber auch nicht zimperlich. Ich habe mit Renate Knab über den Anruf gesprochen, mit dem die Stadtverwaltung damals Tinas kritische Nachfragen stoppte. Sie konnte sich noch ziemlich lebhaft daran erinnern. Hast du gewusst, dass der Anruf nicht von Meister kam?“
„Ich habe es geahnt. Er würde nicht so plump vorgehen.“
„Es war Dubois selbst und er hat mächtig Druck gemacht. Renate hat mir erzählt, dass er sich nicht nur bei Alf Kuntz beschwert hat, sondern auch ganz oben bei der Verlagsspitze. Offensichtlich mit Erfolg, denn Tina bekam eine Abmahnung, weil sie sich nicht an die Vorgaben gehalten hatte.“
„Tatsächlich?“ Velten war aufrichtig entsetzt.
„Dein Freund Alf hat dafür gesorgt, dass Tina ihre Grenzen aufgezeigt wurden. Er hat es ihr persönlich übel genommen, dass sie in seinem Revier gewildert hat, indem sie sich etwas zu sehr für den Industriepark interessierte. Nach ihrem Tod ist die Abmahnung übrigens aus ihrer Personalakte verschwunden.“
„Er ist nicht mein Freund. Jetzt erst recht nicht.“
„Gut. Und was machen wir mit dem Rest des Tages?“
Velten schob ihr die Pressemitteilungen über den Schreibtisch: „Du wirst aus diesem Zeug ein paar nette Artikel basteln, und ich werde mir Hundewelpen ansehen.“
„Du wirst was ?“
- - -
Es hatte den Anschein, als wollte es an diesem Samstagmorgen überhaupt nicht mehr hell werden. Schon während Velten mit Nina und Lukas gefrühstückt hatte, waren graue Wolken über Waldenthal gezogen und hatten ein widerwärtiges Gemisch aus Regen und schweren Schneeflocken über der Stadt entladen. Jetzt starrte er missmutig aus dem Fenster und war fest entschlossen, bei diesem Wetter keinen Fuß vor die Tür zu setzen. Lukas war offenbar völlig anders veranlagt und war schon zu den Großeltern gelaufen, die ein paar Häuser wohnten. Der kleine Mann würde heute Nachmittag mit ihnen den Tierpark besuchen, mieses Wetter hin oder her.
Nina schloss die Klappe ihrer Geschirrspülmaschine und seufzte: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich Weihnachten herbeisehne. Lukas ist schon seit Wochen völlig aus dem Häuschen. Hoffentlich lenkt ihn der Zoo ein wenig ab.“
Velten faltete den Waldenthaler Morgenkurier zusammen und legte die Zeitung auf die Fensterbank. „Tierpark, wir nennen es Tierpark. Es gibt ja fast nur einheimische Viecher zu sehen.“
„ Zoo, Tierpark, das ist mir völlig egal. Hauptsache, er kommt auf andere Gedanken und redet nicht ständig von dem Hund, den er zu Weihnachten will.“
„Er wird ihn ja auch bekommen. Das wird ihn sicher bestärken, dich im nächsten Jahr genauso zu nerven, damit sich sein größter Wunsch, was immer das dein sein mag, auch wieder erfüllen wird.“ Sie hatten sich gestern zwei Stunden lang Welpen angeschaut und sich schließlich für einen Jack Russell Terrier entschieden. Nina würde ihn an Heiligabend abholen.
Sie nahm Velten in die Arme, was ihn sofort auf ganz andere Gedanken brachte. „Willst du etwa meine Erziehungsmethoden kritisieren?“
„Fällt mir im Traum nicht ein. Du hast sicher alles perfekt organisiert.“
Sie gab ihm einen Kuss und löste sich zu seinem Leidwesen wieder von ihm: „Natürlich. Meine Eltern werden das Tier erst einmal zu sich
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