Velvet Haven Paradies der Dunkelheit
wenn seine Ehre wieder voll und ganz hergestellt wäre. Wenn er unter seinen Brüdern wandeln könnte und sein Name unbefleckt, seine Sünden vergeben wären.
»Du brauchst nur deinen Anspruch auf diese Sterbliche aufzugeben«, flüsterte ihm Gabriel ins Ohr. »Mehr musst du nicht tun.«
Mairi. Ihr Bild flackerte vor seinen Augen auf. Es gab einen Grund, weshalb Er damals bei ihrer Geburt gewollt hatte, dass man sie rettet. Es gab auch einen Grund, weshalb sie Rowan das Leben gerettet hatte. Sie hatte nicht sterben sollen. Er wusste es. Er fühlte es. Es war richtig gewesen, die Macht der Wiedergeburt an sie weiterzugeben. Zum ersten Mal nach tausend Jahren hatte er gespürt, dass sein Schöpfer an seiner Seite war und ihn zu dem brachte, was er tat.
»Sie ist nichts weiter als eine Sterbliche«, rief ihm Gabriel ins Gedächtnis. »Nichts als Lehm und Staub.«
Nein. Wenn sie nur eine gewöhnliche Sterbliche wäre, dann wäre Gabriel gar nicht erst hier, um ihm die Erlösung anzubieten. Seit einem Jahrtausend wandelte Suriel nun schon auf der Erde, ganz auf sich gestellt, und all die Zeit hatte er Gott um Vergebung angefleht. Und in diesen tausend Jahren hatte Gott kein einziges Mal auf seine Gebete reagiert. Nicht bis zum heutigen Tag. Nicht bis Mairi in sein Leben getreten war. Es musste noch mehr dahinterstecken. Gabriel war nicht nur viel zu versessen darauf, Mairi tot zu sehen, sondern vor allem darauf, ihre Gabe zurückzubekommen. Weshalb? Welche Probleme konnten Gabriel deswegen entstehen?
»Weià Er, dass du hier bist?«
»Wer, glaubst du denn, hätte mich geschickt?«
Suriel ahnte, dass es eine Lüge war, er roch die Täuschung, und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass Gabriel gar nicht geschickt worden war. Er war von sich aus gekommen und verfolgte eigene Ziele.
»Habe ich dein Wort, Gabriel, dass mir die Vergebung wahrhaftig zuteilwird? Dass ich nach Hause zurückkehren darf, wenn ich sie verlasse?«
»Ja«, sprach Gabriel leise.
Suriel presste die Augen zu und nickte.
»Gut.« Gabriels weiÃes Gewand wirbelte über den SteinfuÃboden, als er sich zum Gehen wandte. »Kann ich mich auf dein Wort verlassen, Suriel?«
»Nun, was willst du denn von einem gefallenen Engel erwarten.«
Gabriel lachte höhnisch. »Widerspenstig bis zuletzt.«
»Sag mir, Gabriel, was hast du mit der Frau vor?«
»Ihr wird nichts geschehen.«
Suriel blickte auf und sah gerade noch, wie Gabriel sein Schwert in die Scheide steckte. »Und was ist mit deinem Wort, Gabriel? Ist auch auf dein Wort Verlass?«
Als Gabriel sich umdrehte und ihm ins Gesicht blickte, waren die Augen des Erzengels schwarz. »Auf mein Wort ist ebenso sehr Verlass wie auf deines.«
Das konnte nur bedeuten, dass Gabriel log.
Suriel schloss die Augen und betete zu dem Gott, der ihn nicht nur erschaffen, sondern auch vernichtet hatte. In einem letzten Versuch sprach er die Worte noch einmal laut aus: »Weise mir den richtigen Weg, und ich werde ihn einschlagen.«
»Du hast einen Tag Zeit, zu der Frau zurückzukehren und ihr die Gabe zu nehmen. Ich werde dich erwarten. Wenn die Gabe in meinem Besitz ist, werde ich dich in den Himmel geleiten.«
»Ich werde da sein.«
Gabriel drehte sich um, dann hielt er noch einmal inne. »Sieh aber auch zu, dass du wirklich da bist, Suriel. Denn einen Fehler werde ich nicht dulden.«
Es war schon nach Einbruch der Dämmerung, als Mairi in dem Waldstück, das Bran Nemed genannt hatte, auf ihn wartete. Sein geheiligter Ort. Er hatte gewollt, dass sie dort auf ihn warte. Mit ausgestrecktem Arm hoffte sie darauf, dass der Rabe endlich erschiene. Sie sah schon, wie er in der Ferne hoch über die Baumwipfel stieg, wobei sich das Mondlicht in seinen glänzenden schwarzen Flügeln spiegelte. Bei seinem Anblick füllte sich ihr Herz mit Liebe.
»Mairi, ich muss mit dir sprechen.«
Ihre Welt schien stillzustehen. Als sie sich umdrehte, stand Suriel vor ihr.
»Suriel.« Mairi senkte den Arm. »Was ist los?«
»Du musst mir zuhören.«
»Gut.«
Er ging um sie herum, doch sein Blick wich dem ihren aus. »Ich muss fort.«
»Aus Annwyn fort?«
»Von dir.«
Sanft legte sie ihm eine Hand auf den Arm und hielt ihn so fest. »Weshalb?«
»Ich bin in Gefahr, und meinetwegen bist auch du nicht mehr sicher. Sie werden mich holen, und
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