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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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für diese Bedenken war es jetzt ohnehin zu spät.
     
    Draußen dämmerte es inzwischen. Durch die großen Fenster zum Kanal fiel das letzte violette Abendlicht in den Raum. Päiviö oder auch Miika, so genau hatte Harry sich das nicht gemerkt, hatten inzwischen eine unbekannte skandinavische Tanzcombo aus den Siebzigern aufgelegt. An den Wänden brannten zwei alte Leuchter mit Schalen aus Muranoglas. Eigentlich fand Harry sie scheußlich. Aber hier in den Palazzo Michiel dal Brusà am Canal Grande, ganz in der Nähe von der Ca’ d’Oro, passten sie perfekt.
    Sie sprachen über die Biennale, vor allem über den deutschen Beitrag mit dem Titel »Bodenlos« von Hans Haake, der gerade den »Goldenen Löwen« gewonnen hatte.
    »Spannend«, sagte Britt.
    Hans-Dieter fand es »incredibile« und Doris ausnahmsweise nicht »schön«, sondern »wichtig«.
    »Der muss bei Ihnen in New York doch gleich um die Ecke wohnen, oder?«, fragte Beat freundlich.
    »Ja ja, kann sein«, sagte Harry. Er hatte keine Ahnung. »Jeder zweite Künstler lebt ja mittlerweile in New York.«
    Beat legte lächelnd den Kopf schief.
    Sie stellten fest, dass dieser Sommer in Venedig besonders heiß war und die Kanäle noch etwas unangenehmer rochen als sonst.
    »Fa un gran caldo quest’estate. « Giovanni-Dieter ließ immer wieder einzelne Sätze aus seinem Italienischkurs für Fortgeschrittene einfließen.
    Sie fragten Harry über die New Yorker Kunstszene aus. Und nach anfänglichem Zögern gefiel es ihm sogar, den weltläufigen Junggaleristen zu spielen und über Andy Warhol und den Niedergang der Galerienszene in Soho zu parlieren. Von dem, was er in Sam Liebermans Hinterzimmer sonst noch so trieb, konnte er den venezianischen Museumsfreunden ja schlecht erzählen. Doris sagte wieder »schön«. Der Beat legte den Kopf schief. Und der große blonde Finne räumte den Rest der cicchetti-Platten ab. Harry hatte schon langweiligere Stehpartys erlebt. Und der Abend begann erst.
    Die Museumsfreunde wechselten in eine kleine Bar im gegenüberliegenden Stadtteil Santa Croce. Inzwischen war es dunkel. Die Steinbrücken und die Häuserfassaden leuchteten in warmen Ocker- und Rottönen, die sich in den tiefdunklen Kanälen träge verzerrt widerspiegelten. Auf den kleinen Plätzen, die auf ihrem Fußweg ganz unvermutet auftauchten, saßen Leute bei einem Drink. Die Straßenlaternen warfen überall kleine Spots auf Brückentreppen, auf die eingemauerten Straßenschilder und den abbröckelnden Putz, der den darunterliegenden Backstein freigab. Das nächtliche Venedig sah aus wie eine einzige Theaterkulisse. Harry kam sich vor wie in einem surrealen Labyrinth.
     
    Die proseccobeschwingte Gesellschaft schaukelte mit dem Traghetto über den nächtlichen Canal Grande. Einige der Palazzi strahlten von den Ufern über das Wasser, die spätgotische Marmorfassade der Ca’ d’Oro, das barocke Ca’ Pesaro und die roten Markisen der Fischmarkthalle, des Campo di Pescaria. Auf dem Kanal waren immer noch einige Gondeln mit Touristen unterwegs, ebenso ein paar Motorboote und ein Vaporetto, das gerade an der Haltestelle Rialto festmachte.
    Aus einem Seitenkanal hallte die Stimme eines Sängers heraus, nicht das übliche »O sole mio« , sondern » Una festa sui prati« . Und die Reibeisenstimme klang ganz genauso wie die von Adriano Celentano. Als die Spitze des lang gestreckten Bootes sichtbar wurde, erwartete Harry, den Gondoliere zu sehen, stattdessen sah er, dass das Boot mannshoch mit Müllsäcken bepackt war. Und als es in den Canal Grande einbog, kam der singende Müllgondoliere ins Bild: »… una bella compagnia« .
    Von dem auf und ab wippenden Traghetto aus begannen die Lichter zu tanzen. Es war vermutlich auch seine Müdigkeit, die Harry einen Streich spielte. In New York musste jetzt früher Nachmittag sein. Aber im Jetlag glitzerte Venedig ganz besonders.
    Doris strahlte Harry durch ihr gesprenkeltes Brillengestell an.
    »Schön! Oder?«

6
    »Da Filippo« war eine ganz normale Tabacchi-Bar. Der Laden hatte es noch nicht zum urigen Insidertipp im Reiseführer geschafft. Das machte ihn für die Museumsfreunde erst richtig attraktiv.
    »Autentico« , sagte Hans-Dieter mit quakender Stimme und fuhr sich mit seinem Daumen die Linie seines Tennisballbartes entlang.
    Auch Britt Benning fand die Bar »Toll! So ganz einfach«.
    »Buona sera, Dottore« , wurde Hans-Dieter von dem kleinen Filippo überschwänglich begrüßt. »Amico migliore, Giovanni. «
    Er wies

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