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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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ja«, sagte Harry, um sie zu beschwichtigen. »Lass mich einfach abhauen. Und dann hol die Polizei oder mach, was du willst.«
    »Es ist doch immer wieder dasselbe mit euch!«, schimpfte sie. Die dunklen Augen funkelten, als das hereinfallende Mondlicht kurz ihr Gesicht streifte. »Sobald es Probleme gibt, macht ihr euch aus dem Staub.«
    Als er seine auf dem Boden des Nebenraums verteilten Klamotten zusammensammeln wollte, stand Franca wieder hinter ihm. Jetzt hatte sie einen seltsamen kleinen Revolver in der Hand. Er sah wirklich ungewöhnlich aus. War das ein historischer Damenrevolver? Der Lauf war extrem kurz. Er sah nicht so aus, als ob man damit besonders gut zielen könnte. Sie hielt ihn wie zufällig in seine Richtung. Harry konnte jetzt den geschwungenen Schriftzug »Kolibri« auf der Waffe erkennen.
    Harry verharrte beim Aufheben der Jeans für einen Moment in der Hocke. Er sah die langen sehnigen Muskeln ihrer Beine und den hässlich schimmernden Revolver in ihrer Rechten.
    »Caro mio, ich will dir wirklich nicht wehtun. Wirklich nicht.« Sie grinste etwas schief und fuchtelte mit der Waffe herum. »Deswegen solltest du mir jetzt lieber helfen.«
    Ihre Stimme hatte wieder diese erotische Stimmlage. Aber Harry fand daran nichts mehr erregend. Langsam richtete er sich auf und zog sich die Hosen an. Er überlegte fieberhaft. Hatte Franca diesen Carlo wirklich umgelegt? Und wie, um Himmels willen, konnte er sich hierbei aus der Affäre ziehen? Franca redete wild gestikulierend weiter:
    »Ich hatte heftige Auseinandersetzungen mit dem Typen. Aus dem Grund muss der hier weg, und zwar heute Nacht noch. Ben presto und ohne Polizia. Keine Polizia! «
    Da war er ausnahmsweise mal ihrer Meinung. Auch Harry wollte nichts mit der Polizei zu tun haben.
    »Du wirst mir jetzt helfen, den Typen zu entsorgen. Ich weiß auch schon wo. Ein kleines Stück weiter befindet sich die alte verfallene Mühle, »›Molino Stucky‹.«
    »Aber dazu darf ich mich schon richtig anziehen, oder?«
    Das hatte ihm gerade noch gefehlt, jetzt mit einem Toten über die nächtliche Giudecca zu kutschieren. Aber mit Francesca war nicht zu spaßen. Sie schien alles im Griff zu haben und wusste ihre Mittelchen, ihre Upper und Downer, offenbar sehr genau zu dosieren. Harry dagegen war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er taumelte, während er sich seine Klamotten anzog. Die Wirkung der Hawaiianischen Holzrose war offensichtlich noch nicht vorüber.
    Der Abtransport von Vermieter Carlo ging dann erstaunlich routiniert vonstatten. Nachdem Franca sie beide mit rosa Gummihandschuhen ausstaffiert hatte, wickelten sie den Toten in Reste einer staubigen Baufolie. Doch die reichten für den massigen Großgondoliere nicht aus. Seine Gliedmaßen staken immer wieder aus dem Plastik heraus. Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt. Francas Vermieter war so schwer und sperrig, dass er sich auch zu zweit nur mit Mühe bewegen ließ. Beim Hantieren mit dem Körper brach in einem Arm die Leichenstarre der Muskeln mit einem Knirschen. Carlos dicke Zunge fiel halb aus dem Mund. Harry lief ein kalter Schauder über den Rücken.
    Franca, die sich die »Kolibri« in die Gesäßtasche ihrer Jeans gesteckt hatte, schnitt drei ausgediente Gipssäcke zu größeren Papierbahnen zurecht. Den Rest Gips aus einer der Tüten schüttete sie neben das Gerüst auf den Boden. Die kleinere Schrift auf dem dicken mehrschichtigen Papier war durch die Staubschicht nicht mehr zu erkennen, nur die großen Buchstaben »GESSO« – Gips.
    Auch der Tote war mittlerweile vollständig mit einer weißen Staubschicht überzogen. Sie verschnürten ihn mit einem Kunststoffseil und wuchteten ihn auf eine Schubkarre. Harry hatte zunächst Probleme, die Karre an den beiden Handgriffen hochzubekommen. Die eine Stufe aus dem Atelier heraus schaffte er allein kaum. Franca gab dem toten Carlo etwas Schwung.
    »Wir müssen die Fondamenta entlang. Es ist nicht weit«, versprach sie. »Wir müssen nur über eine Brücke.«
    Sie schoben die Befestigung an dem Rio delle Convertite entlang. Die Giudecca wirkte immer noch wie ausgestorben, und Franca schien keine Bedenken zu haben, dass sie beobachtet werden könnten. Harry war sich da nicht so sicher. Ständig schaute er um sich und konnte nur mit größter Anstrengung seine aufsteigende Panik unterdrücken.
    Francesca ging voraus. Ihre Westernstiefel hallten durch die Nacht. Ihr Hinken war jetzt deutlicher. Harry schob die Karre mit Carlo

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