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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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verdammt noch mal! Das musste das blöde Zeltkleid doch langsam mal kapieren!
    Die Tatsache, dass es im Guggenheim-Museum nur eine Damentoilette gab und dass das eventuell ein Problem sein könnte, war ihnen während der Vorbereitungen sogar aufgefallen. Diese Bedenken hatten sie aber gleich wieder verworfen. Endlich tauchte Doris wieder im Zuschauerraum auf. Harry sah sie prüfend an, aber sie lächelte ruhig wie immer.
    »Ihr geht es wirklich nicht gut. Sie muss sich furchtbar übergeben«, zischelte Doris, während sie sich etwas mühselig an ihm vorbeidrückte, um zu ihrem Platz zu kommen. »Schrecklich«, flüsterte sie. Und dann noch leiser: »Sie hängt über der Kloschüssel.«
    Harry atmete auf. Das schien Zoe gut hinbekommen zu haben. Offenbar hatte sie laute Würgegeräusche simuliert. Oder hatte sich Zoe wirklich übergeben müssen? Nach wenigen Minuten tauchte sie dann selbst wieder auf. Ihre Haare sahen reichlich zerstrubbelt aus und sie wirkte erstaunlich blass.
    »Dir geht’s nicht gut?«, fragte Harry.
    Britt Benning, Beat, Roberto, fast alle »Amici dei musei« drehten sich besorgt zu ihnen um, während die Sopranistin zu einer neuen atonalen Arie ansetzte und der Samurai wild auf seinen alten Benzinkanister einschlug.
    »Ich hab tatsächlich wieder ziemlich kotzen müssen«, flüsterte sie fast kleinlaut.
    »Scheiße, das darf doch nicht wahr sein«, murmelte Harry.
    »Mir geht es schon wieder gut.«
    »Und sonst alles klar?«
    »Looking good. « Dabei grinste sie verstohlen.
    »Alles nach Plan?«
    Sie nickte andeutungsweise.
    Eine Frau in einer Stola und mit einer altmodischen Turmfrisur zischte und sah ungnädig zu ihnen herüber.
     
    Ein paar Takte Sirenengeheul und ein paar an der Kamera vorbeidümpelnde Obstkisten und Gondeln wartete er ab. Dann schlich Harry sich nach draußen. Als Britt Benning zu ihm herübersah, zeigte er demonstrativ seine Chesterfieldschachtel.
    »Er muss es sich unbedingt abgewöhnen«, sagte Zoe zu Britt.
    Harry humpelte unter dem Calder-Mobile hindurch auf die Terrasse. Den Blick auf den Canal Grande würdigte er nur kurz. Er zündete sich erst mal eine Zigarette an. Der Giacometti hing ihm tatsächlich wie ein Klotz am Bein. Aber die Idee war einfach genial! Harry grinste zufrieden in sich hinein.
    Dann humpelte er die Terrasse einmal auf und ab und zeigte sich vor den Fenstern der ehemaligen Bibliothek, in der die Performance stattfand, für einen Augenblick den Zuschauern drinnen. So richtig konnte er es nicht erkennen, ob sie ihn auch wirklich wahrnahmen. Dann stieg er rauchend, so schnell ihm das mit seinem Bleifuß möglich war, durch die martialische Gittertür die Treppen zum Kanal hinunter, um von dort an die Seite des Gebäudes zu gelangen.
    Er sah es sofort. Das Paket lag unter dem Toilettenfenster und daneben die einzelnen Holzleisten des Rahmens. Eilig sammelte er die eingepackte Kunststoffrolle und die Rahmenteile ein und brachte alles zu dem kleinen Anlegesteg vor dem Westflügel der Villa. Die Zigarette hatte er zwischen den Lippen. Beim Hantieren mit den Holzteilen stieg ihm Rauch in die Augen. Aber die größeren Probleme bereitete ihm sein Bein.
    Er sah über den Canal. Es war kein Boot in der Nähe. Auch aus dem Museum oder dem benachbarten Haus wurde er nicht beobachtet. Er warf die Holzteile in hohem Bogen in den Kanal. Es hatte etwas seltsam Majestätisches, als der Keilrahmen, der Mirós »Sitzende Frau II« über fünfzig Jahre getragen hatte, in seinen Einzelteilen durch die venezianische Nacht flog, mit einem kaum hörbaren Klatschen auf das Wasser traf und dann ganz langsam und unauffällig mit der Strömung kanalabwärts Richtung San Giorgio Maggiore trieb. Mit ein bisschen Glück dümpelte Mirós Rahmen in ein paar Tagen irgendwo auf der Adria umher.
    Bevor seine Zigarette zu Ende ging, humpelte Harry noch mal die Treppen hinauf, um sich am Fenster des Veranstaltungsraumes zu zeigen und demonstrativ den inhalierten Rauch gegen die Scheiben zu pusten. Er sah die Leute der Toncollage horchen. Nur Giovanni-Dieter war schon wieder aufgestanden und zwängte sich durch seine Stuhlreihe. Er hatte doch hoffentlich nicht eben aus dem Fenster gesehen und Harry beobachtet.
    Nach den hastigen Zigarettenzügen war Harry für einen Moment schwindelig geworden. Benommen humpelte er wieder zurück an den Steg. Er nahm die Plastikrolle mit dem Bild und ging auf den kleinen Anleger, der quer zu dem Holzsteg vor dem Haus ein paar Meter in den Kanal

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