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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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wollte er sich dadurch nicht auch noch verdächtig machen. Aber er musste die Figur unbedingt hier vor Ort in die Gipsschale hineinbekommen. Hektisch fummelte er mit dem Teppichmesser an dem Gips herum. Dabei achtete er penibel darauf, dass keine Gipskrümel auf den Boden fielen.
    Dann versuchte Harry, den Giacometti erneut in die Form zu pressen. Einen Vorteil zumindest hatte das Original aus Bronze. Es war weniger zerbrechlich. Endlich passte die Figur gerade so rein. Vorsichtig setzte er die beiden Schalen wieder zusammen. Das Zischen des Klebestreifens, als er ihn zu schnell von der Rolle zog, hallte unnatürlich laut durch den Raum. Harry horchte. Die Tonkünstler drehten jetzt richtig auf. Das passte hervorragend.
    Er ritzte das Klebeband mit den Zähnen ein, trennte das Band jetzt behutsam leise von der Rolle und überklebte den Falz zwischen den beiden Schalen. Doch jetzt offenbarte sich ein ganz entscheidender Nachteil der Originalplastik. Harrys Bein schien wie am Boden festbetoniert zu sein, so schwer war es mit der Originalplastik im Gips. Jeder Schritt war ein Riesenakt. Und er meinte auch, beim Aufsetzen des Gipsbeines ein lauteres Geräusch als zuvor zu machen. Mühsam schleppte er sich weiter.
    Am liebsten hätte Harry noch einmal kurz im Damenklo vorbeigeschaut, aber er wollte jetzt jeden unnötigen Schritt vermeiden. Und Zoe würde schon allein mit dem Miró fertig werden. Am aufwendigsten war sicher, die Leinwand von dem Spannrahmen herunterzubekommen. Dann musste sie das Bild vorsichtig einrollen, damit es in die Plastikrolle aus dem Museumsshop passte.
    Das Rollen des Ölbildes war eine heikle Angelegenheit. Durch die Veränderung der Oberflächenspannung konnte die Farbe reißen. Aber dieses Risiko mussten sie eingehen. Denn ansonsten schien der Plan doch wunderbar zu funktionieren. Die Kunststoffröhre aus dem Plakatladen sollte noch einmal in eine Folie verpackt, mit Tesaband verklebt und an einem Ende mit einem Kunststoffseil umschnürt werden. Dann sollte Zoe das ganze Paket durch die schmiedeeisernen Gitter des Toilettenfensters schieben.
    Vor allem durfte Zoe nicht vergessen, die Kröte aus Muranoglas mit in die Röhre hineinzulegen. Sie hatten keinen anderen Gegenstand zum Beschweren gefunden außer diesem grauenhaften tomatenrot leuchtenden, im Inneren von verschwimmenden blauen Schlieren durchzogenen Frosch, der sie die letzten Tage von der Anrichte in Giovanni-Dieters Wohnung blöd angeglotzt hatte. Die Murano-Kröte hatte es nicht anders verdient.
    Den übrig gebliebenen Rahmen sollte sie dann in Einzelteilen ebenfalls durch das Fenster nach draußen werfen.
    Harry musste sich allmählich mal wieder im Zuschauerraum blicken lassen.
    Er hatte gerade seine Handschuhe ausgezogen und den Giacometti-Raum humpelnd verlassen, da bekam er einen gewaltigen Schreck. Im Gang, vor Braques »Schale mit Trauben«, stand plötzlich Doris vor ihm. Das Kleid der Psychotherapeutin wirkte im Halbdunkel besonders zeltartig, und sie blickte fast noch netter als sonst durch ihre gefleckte Brille.
    »Alles in Ordnung mit deiner Frau, Harry?« Sie fasste ihm fürsorglich an den Arm.
    »Ja, es g-g-eht schon.« Er kam richtig ein bisschen ins Stottern und wirkte wohl auch sonst etwas verstört. »Ihr ist einfach nicht so gut.«
    Doch damit gab sich Psycho-Doris nicht zufrieden. »Lass mal Harry. Ich werd mal nach ihr sehen.« Sie setzte auf einmal eine ganz ernste Miene auf.
    Bloß das jetzt nicht, dachte Harry nur.
    »Das ist sch-schrecklich nett von dir, Doris«, sagte er. »Aber sie kommt schon zurecht.«
    »Lass uns Frauen mal machen«, sagte sie. Dabei hatte sie schon wieder ihr Therapeutenlächeln aufgesetzt. Dann entschwebte das Zelt in Richtung Calder-Mobile. Harrys Magen krampfte sich zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Hoffentlich würde Doris nicht das echte Alarmsignal auffallen, das natürlich nicht zur Performance gehörte. Aber er konnte jetzt nichts tun, nur hoffen, dass Zoe gut improvisieren würde.
    Als er auf seinen Platz zurückkam, nickte Britt Benning ihm kurz zu. Roberto warf ihm einen theatralisch erstaunten Blick zu, und Giovanni hielt sich ebenso bühnenreif den rumorenden Bauch. Je länger der Platz von Doris frei blieb, desto unruhiger wurde Harry. Er malte sich aus, wie die dichtende Doris Zoe beim Einrollen des Mirós erwischt hatte. Warum dauerte das nur so verdammt lange? Vielleicht musste die gute Doris ja auch einfach mal aufs Klo.
    Aber das Damenklo war gerade besetzt,

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