Venezianische Versuchung
gehört – Mrs Battista heißt sie wohl –, hat versprochen, Miss Wood zu Ihnen zu schicken, sobald sie auftaucht.“
„Wenn sie auftaucht …“, murmelte Richard. Er machte ein bedrücktes Gesicht. „Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Nicht in einer fremden Stadt. Sie könnte ertrunken sein, oder vielleicht hat jemand ihr Gewalt angetan. Möglicherweise wurde sie sogar ermordet. Diese Ausländer …“
„Verzeihung, Euer Gnaden, aber Mrs Battista sagt, tagsüber sei Venedig eine sehr sichere Stadt. Sie sagt auch, dass Miss Wood sich inzwischen beinahe so gut wie die Einheimischen auskennt. Sehr wahrscheinlich würde sie sich alte Kirchen oder irgendwelche Sehenswürdigkeiten anschauen, das wäre nämlich ihre Lieblingsbeschäftigung. Sobald Miss Wood dazu bereit wäre, sagt Mrs Battista, würde sie hierher zurückkommen.“
„Mrs Battista, Mrs Battista, Mrs Battista“, stöhnte Richard. „Ich will nichts mehr von ihr hören.“ Er wandte sich dem Fenster zu und starrte in der vergeblichen Hoffnung hinaus, Miss Wood irgendwo zu entdecken. Es war ihm gleichgültig, wie gut sie sich in Venedig auskannte. Sie war eine kleine schutzlose Engländerin zwischen lauter großen starken Fremden, denen man nicht trauen konnte. Die Vorstellung genügte, um ihn in mit Furcht zu erfüllen. Seine Fantasie gaukelte ihm die schrecklichsten Gefahren vor. Er spürte, wie seine Hände feucht wurden. Wenn er doch nur etwas hätte tun können!
„Kein Wort mehr über diese Mrs Battista“, wiederholte er. „Ich bin in Sorge um Miss Wood. Und was andere darüber denken, interessiert mich überhaupt nicht.“
„Verzeihen Sie, Euer Gnaden“, begann Wilson zum dritten Mal. „Diese Mrs Battista ist die Haushälterin. Und überall auf der Welt wissen Haushälterinnen mehr über die Bewohner des Hauses als sonst irgendwer. Keine Ahnung, wie sie an diese Informationen herankommen.“ Er zuckte die Schultern. „Jedenfalls erscheint mir durchaus glaubwürdig, was diese Haushälterin mit dem unsäglichen Namen Battista sagt.“
„Bitte, sprechen Sie nicht so über Signora della Battista“, bat Jane, die unbemerkt eingetreten war. „Sie ist nicht die Haushälterin, sondern die Besitzerin der Ca’ Battista. Und sie entstammt einer der ältesten und angesehensten Familien Venedigs.“
Der Duke fuhr herum. „Miss Wood!“
„Ja, Euer Gnaden.“ Sie senkte den Blick und knickste. Ihr ganzes Auftreten war so ruhig und ausgeglichen, als sei sie gerade aus dem Salon von Aston Hall gekommen und nicht aus den Gassen einer fremden Stadt.
„Sie sind in Sicherheit! Es ist Ihnen nichts zugestoßen?“
Ohne den Kopf zu heben, schaute sie unter halb gesenkten Lidern hervor zu Aston. „Ja, Euer Gnaden.“
„Ganz bestimmt? Sie hatten keine unangenehmen Erlebnisse?“ Er kam sich ein wenig albern vor, weil er so aufgewühlt war. Aber er musste es genau wissen. Er hatte große Angst um sie gehabt, und er fühlte sich schuldig, weil er zugelassen hatte, dass sie allein durch Venedigs Straßen lief. „Sie verstehen doch, dass ich mich um Ihr Wohlergehen kümmern muss, solange Sie zu meinem Haushalt gehören?“
„Ja, Euer Gnaden. Das verstehe ich. Und ich bin sehr dankbar dafür.“
„Gut.“ Richard räusperte sich. Er kam sich jetzt noch alberner vor.
Endlich hob Jane den Kopf und schaute den Duke ernst an. „Signora della Battista hat mich zu Ihnen geschickt. Sie sagte, Sie wünschten, mich so bald wie möglich zu sehen.“
„Allerdings.“ Er gab Wilson mit einer ungeduldigen Geste zu verstehen, er solle sich zurückziehen. „Ja …“ Er musste wirklich dringend mit ihr reden. Allerdings würde er es nicht vor Zeugen tun. Er betrachtete Jane und gestand sich widerwillig ein, dass ihre Ruhe ihn verunsicherte. Überhaupt war da etwas an ihrer Gestalt, ihrem Aussehen, das ihm früher nicht aufgefallen war. Unter ihrer Haube schauten ein paar dunkle Locken hervor, einzelne Wassertropfen glitzerten auf ihrem Gesicht und sogar auf ihren Wimpern. Ihre Wangen waren von der kalten Luft gerötet, ihre Lippen leicht geöffnet, wahrscheinlich vor Anstrengung, weil sie die Treppe so rasch hinaufgelaufen war.
O Gott, sie war hinreißend!
Wann, zum Teufel, hatte sie begonnen, so bezaubernd auszusehen?
Ihm wurde bewusst, dass er sie anstarrte wie ein verliebter Schuljunge. Und wie einem verliebten Schuljungen fehlten ihm plötzlich die Worte. Er wusste nicht mehr, was er ihr hatte sagen wollen. Verflucht!
Richard schluckte
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