Venezianische Versuchung
verlangt! Ich sehne mich danach, mit einer Engländerin zusammen zu sein, die mich akzeptiert, so wie ich bin, und die unterhaltsam zu plaudern versteht.“
„Sie sind ein Duke“, erinnerte sie ihn, „während ich eine Gouvernante ohne Stellung bin.“
„Ach, das werden wir einfach eine Zeit lang außer Acht lassen. Ich will die Rolle des Gastgebers übernehmen, und Sie sollen mein Gast sein.“
„Sie verlangen eine Menge von mir“, murmelte Jane.
„Nein“, widersprach er. „Ich verlange nur ein wenig Freundlichkeit. Ich bin einsam, meine Töchter fehlen mir.“
„Lady Mary und Lady Diana fehlen mir auch. Aber genügt das, um die Kluft zwischen uns zu überbrücken, Euer Gnaden?“
„In Venedig gibt es keine Kluft zwischen uns“, gab er entschieden zurück. „Haben Sie mir nicht beigebracht, dass hier selbst Schokolade und Schinken zusammenpassen?“
Jane lächelte wieder.
Es war ein wunderschöner Anblick, der Richard besser gefiel, als alles, was er an diesem Tag gesehen hatte. „Ich sehne mich nach jemandem, mit dem ich reden kann“, wiederholte er. „Nach jemandem, der mir geduldig zuhört, aber auch keine Angst hat, seine eigene Meinung zu vertreten. Ich brauche jemanden, der mir sagt, wenn ich mich wie ein Esel aufführe. Ich weiß, Sie können das, Miss Wood. Jawohl, ich habe nicht den geringsten Zweifel daran.“
Sie schaute ihm fest in die Augen. „Ich habe Sie noch nie als Esel bezeichnet, Euer Gnaden.“
„Dann habe ich Sie noch nicht genug dazu herausgefordert“, neckte er sie. „Ich werde mein Bestes tun, um das zu ändern.“ Als er zu lachen begann, fiel Jane in sein Lachen ein.
Es fühlte sich wunderbar an, gemeinsam zu lachen. Es war ein Erlebnis, das ihm seit Jahren gefehlt hatte. Seit dem Tode seiner Gattin hatte er stets geglaubt, er würde Annes Andenken ehren, indem er für sich allein blieb und alten Erinnerungen nachhing. Er war fest davon überzeugt gewesen, dass er selbst sich nichts anderes wünschte. Nach außen hin hatte er sich als starker Mann gegeben, der seinen Schmerz tapfer trug. Und die Welt hatte ihn dafür bewundert.
Doch plötzlich, nur weil er weit fort von zu Hause gemeinsam mit einer kleinen dunkelhaarigen Frau lachte, schien alles sich zu ändern. Er wollte nicht mehr allein sein, sehnte sich nach Gesellschaft. Noch in der vergangenen Nacht hatte er sich das überhaupt nicht vorstellen können. Und jetzt, da er erlebte, wie es geschah, war er zutiefst verwundert. Am meisten erstaunte ihn, wie richtig sich alles anfühlte.
Er brauchte also die Gouvernante seiner Töchter. Nein, das stimmte so nicht. Er brauchte Miss Wood.
Ihr Lachen verklang, und Richard wurde wieder ernst. „Werden Sie also gemeinsam mit mir speisen?“
„Ja.“ Ihr Lächeln wirkte rührend scheu.
Es zeigte Richard, welch großen Schritt dieses Versprechen für Miss Wood bedeutete.
„Weil wir in Venedig sind und nicht in Aston Hall und weil in dieser Stadt eine ganz besondere Magie herrscht“, fügte sie erklärend hinzu.
10. KAPITEL
E ine Stadt voller Magie …
Wenn Jane später an jenes erste Abendessen mit dem Duke zurückdachte, dann konnte sie sich nicht erinnern, welche Speisen Signora della Battistas hervorragende Köchin auf den Tisch gebracht hatte. Sie wusste auch nicht mehr, ob sie selbst überhaupt etwas gegessen hatte. Ja, es war ihr sogar entfallen, ob Signora della Battista sich zu ihnen gesellt hatte, um zu erklären, wie die einzelnen Gänge sich zusammensetzten. An anderen Abenden hatte die Venezianerin das getan. Aber an diesem? Vielleicht hatte sie beschlossen, ihre Gäste allein zu lassen. Jane hätte es beim besten Willen nicht zu sagen gewusst.
Es gab aber auch vieles, an das sie sich ganz genau erinnerte. Der Tisch im Speisezimmer war so groß, dass bequem ein Dutzend Menschen daran Platz fanden. Eine Decke aus feinstem Leinen lag darauf, an den Seiten kunstvoll mit Silberfäden bestickt. In den Weingläsern aus geschliffenem Kristall brach sich das Licht der Kerzen, die in hohen vergoldeten Kerzenständern steckten und hell brennend die Dunkelheit des Winterabends vertrieben. Das Besteck war aus Silber, das Geschirr aus kostbarem Porzellan.
Für Jane war an dem einen Ende der Tafel gedeckt, für den Duke, so wie es sich gehörte, am anderen.
Doch damit war Aston nicht einverstanden. Kaum hatte er die Tür zum Speisezimmer geöffnet, da sagte er zu dem wartenden Lakaien: „Ich möchte nicht, dass Miss Wood bis nach China verbannt wird.
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