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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Besson
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verzweifelte, weil sie sinnlos waren. Und ich ahnte es, selbst wenn ich mich weigerte, es mir wirklich einzugestehen. Ich habe Laura zum Beispiel bis zum Erbrechen Liebesworte gesagt, ich, der ich das sonst so selten tat, und je häufiger ich sie sagte, umso falscher waren sie, aber sie unterschied sie nicht von den wahren. Ich habe mir eine Zukunft vorgestellt, wenn das Kind erst da wäre. Ich sagte: Ein größeres Haus wäre gut, wir werden umziehen, und wir werden vielleicht auch noch mehr Kinder haben, wir müssen daran denken. Und die Worte klangen hohl, ich sah nicht, dass ich diese Kinder machen würde. Ich sah mich nicht einmal das Kind empfangen,das bald da sein würde. Und Laura war glücklich. Und alles war schrecklich, ihr Glück, meine Lügen, die Verkettung.
     
    Es zermürbte mich. Jack wurde zur Obsession, und ich vollbrachte jeden Tag größere Anstrengungen, um mich nicht zu verraten. Als McGill vorschlug, ein erneutes Verhör durchzuführen, antwortete ich ausweichend. Seine Intuition war wirklich erstaunlich: Er war überzeugt, dass Jack uns nicht alles gesagt hatte, ich hörte ihm kaum zu. Und dennoch hatte ich nur einen Wunsch: Von Jack zu sprechen, zu Jack zu sprechen, es verbrannte mich, ich hatte das Bedürfnis, seinen Namen zu nennen, eine Begegnung herbeizuführen, schließlich gab ich vor, rauchen zu wollen, um das Schweigen und die Distanz nicht aufzugeben, und ging in die verpestete Luft hinaus.
     
    Es gibt ein Verb dafür: sich selbst verstümmeln. Ich denke an jene für das bloße Auge unsichtbaren Wunden, die ich mir zufügte und die in meinem Innern bluteten. Diese mentalen Skarifikationen. Sie sprechen auch von mir. Sie sagen, wer ich bin.

 
    Es passiert mir ständig, dass ich an diese Wochen zurückdenke, in denen ich gelogen habe. Die anderen und mich belogen habe. Diese Wochen der Verheimlichung. Ich bin nicht besonders stolz darauf, gewiss nicht, aber ich wusste keinen anderen Weg. Ich musste da durch.
     
    Ich förderte Entschuldigungen in mir zutage, berief mich auf meine persönliche Situation, meine berufliche Situation, den Blick der anderen. Insgeheim befürchtete ich den Verlust von all dem, auf das ich mein Leben aufgebaut hatte, aber das war nur ein armseliges Ausweichmanöver, eine klägliche Verteidigung. Stillschweigend baute ich trügerische Wälle, eingebildete Dämme, aber die Angriffe waren jedes Mal noch heftiger. Keine Barrikade wäre stark genug gewesen, um sie aufzuhalten.
    In Wirklichkeit war ich wütend. Wütend, weil diese Liebe, wie soll ich es anders nennen, mein eigenes Vorstellungsvermögen und meinen eigenen Willen in Frage stellte.
    Sehr schnell ging es nicht mehr darum, ob, sondern darum, wann ich aufgeben würde.
     
    Was mich rettete? Das Untertauchen Jacks. Ich sagte mir: Er ist zu anderen Dingen übergegangen, er hat Monterey vergessen, er hat keine Lust auf »uns«. Wenn ich ihm erneut begegnen sollte, würde ich auf alle Fälle auf seinUnverständnis und seine Verlegenheit stoßen. Er gäbe mir zu verstehen, dass wir nicht dieselbe Geschichte gelebt hätten und dass ich nichts von ihm zu erhoffen habe. Diese vorauszusehende Demütigung kränkte mich, klar, aber ich klammerte mich daran wie an einen Rettungsanker. Ich sagte mir: Wenn es sein muss, wird Jack den Teufelskreis sprengen.
     
    Und eines Morgens war er da. Vor meinem Haus. In seinem Wagen. Er wartete auf mich.
    Ich hatte gerade eine Tasse Kaffee getrunken, Laura geküsst und die Haustür hinter mir zugezogen, ich war spät dran, ich schlüpfte im Gehen in eine Jacke und schlängelte mich dabei auf dem Bürgersteig zwischen Mülleimern und Fahrrädern hindurch, da bemerkte ich seinen Wagen, und das hat mich in Sekundenschnelle erstarren lassen, ich hörte auf, mich mit meiner Jacke herumzuschlagen, ein Ärmel baumelte leer herunter, ich wirkte wohl ein wenig lächerlich, ich sah die regungslose Gestalt hinter der getönten Windschutzscheibe, ich blieb einige Augenblicke stehen, ohne mich zu rühren, und bin dann langsam weitergegangen, sehr langsam, wie jemand, der gerade wieder gehen lernt. Ich bemühte mich nicht länger, in meine Jacke zu schlüpfen, ich trat an den Wagen, öffnete die Tür. Ich habe mich auf den Todessitz gesetzt.
     
    Er sagte: »Wohin fahren wir?« Ich antwortete: »Venice Beach.« Der Wagen raste los.
     
    Achtzehn Tage. Wir haben achtzehn Tage durchgehalten.

 
    Ich präzisierte die Adresse: 401, Ocean Front Walk. Dabei hatte ich vorher nie daran gedacht.

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