Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
Stimme war merkwürdig beherrscht.
Tim biss die Zähne aufeinander. Schwindel stieg in ihm auf. Er streckte die freie Hand aus und hielt sich am Regal fest. Ein paar Bücher fielen dabei zu Boden und wirbelten Staub auf, der Tim in Nase und Augen stieg.
»Tim?«, fragte Iduna Letitia von Schallern. »Ist er ...« Ihr versagte die Stimme. Sie räusperte sich, sprach aber nicht weiter.
Tim Jung fand keinen Halt am Regal. Die Muskelspannung am ganzen Körper schmolz dahin wie Eis in der Mittagssonne. Er ließ es zu, dass er langsam zu Boden glitt. Seine Hand strich dabei über die vielen Buchrücken. In einer unsichtbaren Staubexplosion kam er zum Sitzen. Etwas fiel ihm dabei in den Schoß. Tim fühlte sich, als hätte ihn jemand chloroformiert. Mit tauben Fingern griff er nach dem kleinen Stummel, hielt ihn sich dicht vor die Augen und starrte ihn an.
»Ich ...«, setzte er an und verstummte. Ein Zittern stieg in ihm auf, während er weiterhin auf den Überrest einer heruntergerauchten Zigarillo starrte. Als er diesmal sprach, hatte er selbst den Eindruck, dass sich seine Stimme merkwürdig kalt und bleiern anhörte.
»Loki ist auch tot.«
4
TAGE VORHER
Ein Herzschlag mit unregelmäßigem, stockendem Puls besaß mehr Taktgefühl als der Typ mit der Gitarre, der sich die Wollmütze, die seine Dreadlocks verbarg, aus der Stirn schob und in die Runde grinste. Mit der freien Hand schnappte er sich seine Bierflasche, die er auf dem Tisch vor sich abgestellt hatte, die andere hielt den Gitarrenhals umgriffen. Er nahm einen tiefen Schluck und ließ sich von Ella eine Zigarette reichen.
»Das ist gut für die Stimme«, sagte er mit einem Augenzwinkern, während sie ihm Feuer gab.
Tim Jung saß mit vor der Brust verschränkten Armen auf der Couch, eingezwängt zwischen den unzähligen Bekannten seiner Freundin, und wartete darauf, dass der Kerl wieder anfing, die besten Songs zu verunstalten. Und Ella schöne Augen zu machen.
Das war einer der schlimmsten Tage seines Lebens.
Es lag weniger an diesem Festchen, auch nicht an den Leuten oder der Musik. Tim musste zugeben, dass die Atmosphäre wirklich phantastisch war, und auch wenn dieser Bursche scheinbar noch immer in einem jugendlichen Alter festsaß, in dem er Mädchen mit schlechten Coverversionen zu beeindrucken gedachte, hatte seine Darbietung irgendwie doch etwas. Sobald er anfing, zu spielen, verstummten die fünfzehn Leute, lauschten bedächtig und sangen mit ihm zusammen die Refrains. Im Grunde fehlte nur noch ein Sonnenuntergang, das Rauschen des Meeres und das Knistern eines Lagerfeuers, und dann würde Tim zum Auto hinuntergehen, seine Dienstwaffe heraufholen und den Kerl abknallen.
Tim seufzte, als er sah, wie der besagte Bob Marley-Verschnitt die Zigarette an das Mädchen neben sich weiterreichte, nach dem Plektrum griff und sich über den Gitarrenhals beugte. Er zupfte an ein paar Saiten, und Tim erkannte nach den ersten Tönen, welches Lied er jetzt zu verstümmeln gedachte: Losing You von John Butler.
Tim nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bier. Danach fing er Ellas Blick auf. Sie schenkte ihm eines ihrer himmlischen Lächeln, wippte mit dem Kopf im Takt und sah schließlich dabei zu, wie die schmalen Fingerchen, die mit Sicherheit noch nie ein Werkzeug gehalten hatten, über die Saiten zupften.
Was ihm tatsächlich zu schaffen machte, und das gestand er sich nur widerwillig ein, war die Tatsache, dass es nun einmal ein so rundum gelungenes, harmonisches Beisammensein war .
Die in Stockholm geborene und aufgewachsene Ella Berg, seit drei Monaten freie Journalistin, war nun seit einem Jahr seine Freundin. Und sie war perfekt, verteufelt perfekt.
Aus den großen, ausdrucksstarken Augen sah einem eine mit allen Wassern gewaschene junge Frau entgegen. Unter dem kinnlangen, schwarz gefärbten Pagenschnitt mit dem Pony, der bis zu den schön geschwungenen Brauen reichte, befand sich ein kluges Köpfchen, das sie innerhalb kürzester Zeit zu einer renommierten Journalistin Deutschlands gemacht hatte. Sie hatte eine Figur, um die sie einige Schauspielerinnen beneiden würden, und das, obwohl sie mehr aß als Tim. Überall dort, wo Ella auftauchte, zog sie unverzüglich sämtliche Aufmerksamkeit auf sich, und das zurecht: Sie hatte ein offenes, einnehmendes Wesen, und nur soziopathische Idioten machten den Fehler, sie nicht ernst zu nehmen (wie Tims Cousin und Arbeitgeber Loki beispielsweise).
Ella war vor zweieinhalb Monaten von Kiel
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